"Cybersicherheit ist das Fundament der Digitalisierung", sagt Thomas Strobl (CDU) und die Erkenntnis ist an ungewollter Ironie kaum zu überbieten: Als Digitalisierungsminister hat er in der Tat für die Sicherheit im Netz zu sorgen, dafür, dass Lecks schnell auffliegen und geschlossen werden. Als Innenminister kümmert er sich um den Kampf gegen den Terror, weshalb die Polizei das schärfste aller einschlägigen Ländergesetze bekommen soll (<link https: www.kontextwochenzeitung.de politik nachhilfe-von-datenschuetzern-4655.html internal-link-new-window>Kontext berichtete) und – unter einigem anderen – fortan die Möglichkeit zur sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Die eingesetzten Staatstrojaner brauchen aber Lecks dringend, um Nachrichtenverkehre, natürlich ohne Kenntnis Betroffener, anzapfen zu können.
Der CDU-Landesvorsitzende hat sein Schicksal selbst gewählt. Als es im Frühjahr 2016 bei der Regierungsbildung um die Kompetenzen der Ministerien ging, wollte er das – als attraktiv identifizierte – Zukunftsthema unbedingt in sein Haus holen. Jetzt trägt er wie sein Berliner Pendant Thomas de Maizière auf zwei Schultern Wasser. Den "Interessenkonflikt" beschrieben Vertreter des "Chaos Computer Clubs" (CCC) schon vor einigen Monaten im Bundestag: "Aus wirtschaftlichen und Gemeinwohlerwägungen" habe der Staat "ein hohes Interesse, Computer-Schwachstellen schnell zu schließen, um Wirtschaftsspionage zurückzudrängen und die grauen Märkte, in denen diese Sicherheitslücken gehandelt werden, nicht zusätzlich zu befeuern". Um die Quellen-TKÜ überhaupt anzuwenden, würden aber "mindestens mittlere, im Regelfall sogar schwere bis kritische Schwachstellen benötigt". Andernfalls könne die Überwachungssoftware gar nicht aufgespielt werden (<link https: www.kontextwochenzeitung.de fileadmin content kontext_wochenzeitung dateien stellungnahme_ccc-staatstrojaner.pdf download>die ganze Stellungnahme gibt es hier zum Download).
"Gerade für den Innovations- und Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg mit seinen vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen ist die Datensicherheit und die Sicherheit im Netz entscheidend, ein zentraler Standort- und Wettbewerbsfaktor", sagte Strobl im Sommer, als er Arne Schönbohm zu Gast hatte. Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist der Meinung, dass "mit relativ einfachen Maßnahmen 80 Prozent der Angriffe abgewehrt können". Die Botschaft geht ausdrücklich "an Privatpersonen und mittelständische Unternehmen". Warum sie für Gefährder und Terroristen nicht genauso gilt, bleibt im Dunkeln.
Längst bekannt ist hingegen, wozu (Staats-)Trojaner imstande sind. Dabei geht es nicht nur um Smartphone oder Tablets. Heizungs- und Lichtanlagen, Schalter und andere internetfähigen Geräte seien "heimlich zu steuern, es ist möglich, Kameras und Mikrophone des entsprechenden Endgeräts mittels Software einzuschalten", schreibt Arndt Sinn, Staatswissenschaftler und Leiter des Zentrums für europäische und internationale Strafrechtstudien. Es könne sogar "die Steuerung eines Smart Car übernommen" werden. Allein diese "wenigen Beispiele sollen genügen, um zu zeigen, dass das Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit nicht ohne eine konkret zu beschreibende Zwecksetzung einzuhalten ist." Eine General-Ermächtigung "zur Infiltration informationstechnischer Systeme ist demnach nicht möglich".
Realität funkt der Landesregierung dazwischen
Das dämmerte am vergangenen Donnerstag zumindest einigen Rechtspolitikern der CDU. Und bei den Grünen konnten sich diejenigen freuen, die in den schwierigen innerkoalitionären Verhandlungen schon immer daraufgesetzt hatten, dass Experten dem Innenministerium noch gehörig den Marsch blasen würden angesichts der schweren Eingriffe in Grundrechte. Immerhin hatte Martin Jäger, als Spitzenjurist hoch gelobter Staatssekretär in Strobls Haus, tags zuvor noch versucht, JournalistInnen seine überaus positive Sicht auf alle Neuerungen zu verkaufen.
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