"Schnell ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen" wird im grün-schwarzen Koalitionsvertrag vom Mai 2016 auf Seite 21 als "ein zentrales Anliegen der Landesregierung" genannt. Und an anderer Stelle: "Die soziale Mietwohnraumförderung werden wir vereinfachen, flexibilisieren und attraktiver machen." Weitere vollmundige Versprechen folgten in den ersten Wochen und Monaten von Grün-Schwarz in Baden-Württemberg. Gerade die neue Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), der der Wohnungsbau zugeordnet wurde, wollte "schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen", weil dies nötiger sei denn je.
Stimmt. Tatsächlich aber reihten sich in den folgenden vier Jahren immer neue Belege von Nichtwollen oder Nichtkönnen aneinander. Vorerst letzter Höhepunkt ist das jetzt in Kraft getretene Förderprogramm. "Gemeinsam mit den Experten der Wohnraum-Allianz konnten wir neue Impulse identifizieren, um unsere Förderung noch attraktiver zu machen und neue wichtige Anreize zu setzen, und zugleich tragen wir damit aktuellen Entwicklungen und zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen Rechnung", sagt Hoffmeister-Kraut in dem ihr eigenen Duktus. Der nächste Satz liest sich wie ein Offenbarungseid: "Ich bin überzeugt, dass wir unserem Ziel, ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, so Schritt für Schritt näherkommen."
Woher sie diese Überzeugung nimmt, bleibt im Dunklen. Jüngste Zahlen aus ihrem Ministerium sprechen eine andere Sprache. Zum Jahresbeginn 2018 gab es 58.500 sogenannte gebundene Sozialmietwohnungen, die, im Gegenzug für staatliche Förderung, Preisgrenzen bei der Vermietung nicht überschreiten dürfen. Die Prognose besagt, dass dieser Bestand bis 2025 um rund 15.500 sinken wird und bis 2030 um weitere 4.500, allein im Regierungsbezirk Stuttgart von 24.600 auf 17.000. Für die Landeshauptstadt Stuttgart ist ebenfalls ein gravierender Rückgang absehbar, von 13.000 auf 8.000 in zehn Jahren. Im Hohenlohischen wird es dann noch ganze 19 Angebote geben, im Kreis Sigmaringen kein einziges mehr.
Alle Versuche gegenzusteuern sind bisher misslungen, auch wenn die Ministerin noch im Februar meinte, einen Erfolg vermelden zu können: "Vor allem bei den Anträgen für neu gebaute Sozialmietwohnungen ist das Ergebnis so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr." Zugleich verharmloste sie den Einbruch der Zahlen zu einem "Abschmelzen" und floh ins Floskelhafte: "Allen muss klar sein, dass in diesem vielschichtigen und schwierigen Feld sichtbare Erfolge nicht über Nacht zu erreichen sind, denn für nachhaltige Lösungen braucht es einen langen Atem." Durch Fakten belegt ist, dass 2017 gut 1.700 Förderanträge gestellt wurden, 2018 waren es knapp 1.200 und 2019 gerade mal 2.537, die allerdings schon als "Trendwende" gefeiert werden – von einer Ministerin, die die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum mehrfach zur "wichtigsten Aufgabe" erklärt hat.
Sozialer Wohnungsbau: nicht attraktiv für Investoren
Wahr ist, dass die Quereinsteigerin Hoffmeister-Kraut eine riesige Bugwelle von Versäumnissen geerbt hat. Seit Ende der Großen Koalition 1996 hatten alle CDU/FDP-Landesregierungen die Förderprogramme für sozialen Wohnungsbau heruntergefahren und kleingehalten, mit einem Tiefststand von 38 Millionen Euro anno 2004 (aktuell sind es 250 Millionen Euro pro Jahr). Auch SPD-Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid dokterte nach dem grün-roten Machtwechsel 2011 mit untauglichen Instrumenten an dem Misstand herum. "Wir müssen zusätzliche private Mittel mobilisieren", verlangte er 2015, immerhin schon nach vier Jahren Regierungsbeteiligung. Er könne sich vorstellen, "dass man die Abschreibungsmöglichkeiten zeitlich und regional begrenzt, um den Bau sozialer Mietwohnungen für Investoren attraktiver" zu machen.
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