"Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen": So lautete das Motto der von Louise Peters 1849 herausgegebenen "Frauen-Zeitung". Im Zuge historischer Befreiungskämpfe erhoben auch Frauen den Anspruch auf eine umfassende(re) Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen, den Anspruch auf volle Entfaltung ihrer Möglichkeiten in allen Lebensbereichen, auf ihre Gleichberechtigung als Menschen. Frei atmen, sich frei bewegen, als Freie sprechen und handeln zu können – das verstehen wir heute als ein allgemeines Menschenrecht. Menschen dieses Recht zu verweigern, wurde historisch immer wieder damit gerechtfertigt (ob im Kontext von Sexismus oder Rassismus), dass diese Menschen gar nicht wirklich "Menschen" seien. Das Radikale an den historisch formulierten Menschen- und Bürgerrechten war und ist ja, dass sich alle Menschen auf sie berufen können.
Das zeigt sich beispielsweise in der "Declaration of Sentiments" von 1848, einem Manifest, das vor dem Hintergrund der Anti-Sklaverei-Bewegung und im Kontext der frühen Frauenrechtsbewegung in den USA formuliert wurde:
"Wir halten folgende Wahrheiten für keines Beweises bedürftig: dass alle Männer und Frauen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind; dass zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören; dass zur Sicherung dieser Rechte Regierungen eingesetzt werden, die den Rechtsgrund ihrer Macht aus der Zustimmung der Regierten ableiten. Sobald eine Regierungsform für diese Zwecke verderblich wird, so ist es das Recht derjenigen, die darunter leiden, ihr den Gehorsam zu verweigern und auf der Einsetzung einer neuen Regierung zu bestehen, die sie auf solche Prinzipien begründen und mit solchen Machtbefugnissen ausstatten werden, die ihnen die größte Gewissheit und Sicherheit für ihr Glück zu geben scheint." Declaration of Sentiments, Seneca Falls/USA, 1848
Der Anspruch darauf, als Mensch wahrgenommen, anerkannt und respektiert zu werden, war in den historischen Frauenbewegungen immer auch mit dem Interesse verbunden, Einsichten in die Mechanismen von Herrschaft und Ausschluss zu gewinnen. Das machte sie zu einer (herrschafts-)kritischen Kraft, und damit wurden sie für die vorherrschenden Ordnungen auch gefährlich.
Antifeministische Attacken heute – es geht ums Ganze der Demokratie
Es ist bemerkenswert, wie heftig – und auch hasserfüllt – das Bemühen um Gleichberechtigung heute erneut attackiert wird. Von so etwas wie "Gender-Ideologie" (oder "Frauengedöns"!) zu sprechen, bedeutet, die Fragen nicht anzuerkennen, die sich auf Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Herrschaft in den Geschlechterverhältnissen beziehen. Sie vielmehr entweder zu verzerren, zu dämonisieren, oder auch zu verharmlosen und zu verniedlichen.
Vieles an den heutigen Debatten erinnert auf beunruhigende Weise an die Verachtung demokratischer Prozesse zur Zeit der Weimarer Republik. Eins ist für mich klar: Das Eintreten für (mehr) Freiheit und Gerechtigkeit in den Geschlechterverhältnissen bedeutet auch ein Eintreten für (mehr) Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen. Es geht ums Ganze der Herrschaftskritik. Vielleicht nerven Feminismus und an Vielfalt und Pluralität orientierte Positionen deshalb so, vielleicht fallen die Attacken deshalb so hässlich aus? In aktuellen gesellschaftlichen Tendenzen scheint die Bereitschaft zur respektvollen politischen Auseinandersetzung zu schrumpfen, der Raum des Demokratischen sich zusammenzuziehen.
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Peter Meisel
am 11.01.2019