Der 61-Jährige zerstreut die immerwährende Hoffnung der CDU, die Affären um den Innenminister des Landes und seinen Oberpolizisten interessiere niemand. Ganz im Gegenteil: "Wenn Sie bei jeder Grillparty gefragt werden, was ist denn bei euch los, da ist Sodom und Gomorra, dann ist das eine Belastung." Der langjährige Gewerkschafter Kusterer ist Interessenvertreter nicht ohne Fehl und Tadel, siehe die reichlich derbe Wortwahl im Umgang mit der hiesigen CDU, aber er ist einer der wenigen Zeugen bisher, die, wie SPD-Obmann Sascha Binder sagt, in keinem Abhängigkeitsverhältnis zum Innenministerium stehen. Auskunft gibt er dementsprechend offen, auch über Justizstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU), der selbst bereits geladen war, vielfach als versierter Strippenzieher beschrieben worden ist und von Kusterer als "Fürsprecher für Herrn Renner" eingeordnet wird.
Vor allem aber äußert sich der meinungsfreudige Zeuge zu einem der Kernpunkte des Untersuchungsauftrags, der zweifelhaften Beförderungspraxis bei der Polizei: "Wer weiß, wie es geht und die Kompetenz hat, es zu tun, der kann alles machen." Das ist wie gewohnt pointiert und trotzdem nicht der Satz der Sätze an diesem Montag. Denn ausgerechnet Steffen Mayer, der deutlich zurückhaltendere Landeschef des Bund Deutscher Kriminalbeamter, spitzt rund um die Karrieren, die möglich sind bei der Polizei, noch mehr zu: "Wer weiß, wie er die Karten spielen muss, der kann sie spielen und was erreichen." Kein Wunder, dass Sascha Binder Machtmissbrauch und Kartenspielertricks scharf kritisiert.
Wie so oft seit dem Start vor zwei Jahren kommt der Untersuchungsausschuss an einen Punkt, an dem konkrete Konsequenzen unausweichlich scheinen. Wie so oft tut sich aber wenig bis nichts. Es ist, als schwebte mit der schützenden Hand, die Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seit Anbeginn über seinen Innenminister Thomas Strobl hält, ein beschönigender Schleier über den bereits herausgearbeiteten Vorgängen: dass beispielsweise im Innenministerium versucht wurde, einen der schärfsten Kritiker Renners, den früheren Präsidenten des Landeskriminalamts Ralf Michelfelder, in schlechtes Licht zu rücken. Dass auch die Beurteilungsrunde 2023 und damit die Besetzung weiterer Spitzenposten nach den vielfach inkriminierten bisherigen Maßstäben abgelaufen ist. Dass der oberste Dienstherr Strobl nicht nur keinen Kontakt zum Hauptpersonalrat der Polizei pflegt – Kusterer ist Vorsitzender, Mayer Mitglied –, der Personalrat auch in weitreichende Entscheidungen – wie die Abschaffung des Amts des Inspekteurs – überhaupt nicht eingebunden war. Das alles müsste eigentlich Gegenstand größerer Empörung sein, ist es aber nicht.
Weniger Polizei-, vielmehr Minister-Affäre
Tradition geworden ist eine Medienrunde am Ende jedes Sitzungstages, selbst wenn Mitternacht bereits vorbei ist. Die Ausschussvorsitzende, die Freiburger Grünen-Abgeordnete Daniela Evers, und die Obleute der Fraktionen ziehen Resümee und stellen sich den Fragen der Medien. Die Opposition, vor allem SPD und FDP, arbeiten mal feinziseliert und mal gröber die wichtigsten Erkenntnisse heraus. Es gebe keine "Polizei-Affäre", sagt FDP-Obfrau Julia Goll wieder einmal und in Anlehnung an die Aussagen der beiden Gewerkschafter, sondern eine Affäre der Polizeiführung und eine Ministeraffäre. Und es sei ein Unding, dass Strobl – zum Beispiel in der Landtagsdebatte zum Untersuchungsausschuss – immer wieder versuche, die Kritik an ihm umzudeuten in eine Kritik an der ganzen Polizei.
Ein Unding, aber nicht die bitterste Erkenntnis diesmal. Die haben die beiden Zeugen mitgebracht, sie sind sich sogar ganz und gar einig in der Einschätzung. Besetzungs- und Beurteilungsverfahren werden nie objektiv funktionieren können, davon sei er überzeugt, sagt Mayer. Und Kusterer berichtet, sich lange Zeit mit möglichen Varianten befasst zu haben, ohne zufriedenstellende Antworten gefunden zu haben. Die Obleute der Regierungsfraktionen, Oliver Hildenbrand (Grüne) und Christiane Staab (CDU), bleiben dennoch hoffnungsfroh, wollen weiter die richtigen Stellschrauben suchen.
Auf einen kenntnisreichen Berater muss Staab indes verzichten. Kusterer ist nach der Auseinandersetzung während der Koalitionsverhandlungen 2021 nach zwei Jahrzehnten Mitgliedschaft aus dem Polizeiarbeitskreis der Schwarzen ausgetreten. Da hatte ihm der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel – angesichts des Prostitutionswohnmobil-Vergleichs – schon nachgerufen, er wolle "dieses Land" spalten: "Vorwürfe, die in der Sache falsch sind und sich einer sexualisierten Sprache bedienen, die Hate Speech Vorschub leisten, disqualifizieren sich selbst." Die Replik ließ nicht lange auf sich warten. Er könne "den Ausverkauf konservativer Werte nicht länger mittragen", antwortete der dieser Art Kritisierte. Hinter den verschlossenen Türen der nicht-öffentlichen Ausschusssitzung zu Wochenbeginn sollen übrigens, so wird im Landtag erzählt, noch einige weitere Beförderungen bekannt gemacht worden sein, die zumindest ungewöhnlich verlaufen sind – neben der von Renner. Details bleiben geheim. Jedenfalls bis auf Weiteres.
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Kurt Mailänder
am 01.05.2024