Die Erwartungen sind groß, sowohl in der Öffentlichkeit als auch unter Polizist:innen. Schon mit dem offiziellen Namen des seit mehr als 17 Monaten arbeitenden parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurde die Latte hochgelegt: "Handeln des Innenministers und des Innenministeriums im Fall des Verdachts der sexuellen Belästigung gegen den Inspekteur der Polizei Baden-Württemberg und Beurteilungs-, Beförderungs- und Stellenbesetzungsverfahren in der Polizei Baden-Württemberg". Im Einsetzungsbeschluss für den Ausschuss dreht sich ein Dutzend Fragen um die Vorwürfe gegen Andreas Renner selbst, den ehemals ranghöchsten Uniform tragenden Polizisten im Land, die Reaktionen seiner Vorgesetzten oder darum, "welche Informationen den Behörden und weiteren Stellen zu weiteren Vorwürfen der sexuellen Belästigung oder von sexuellen Annäherungsversuchen durch A. R. und andere Beschäftigte von Landesbehörden vorliegen".
Mehr Licht ins Dunkel könnte I.K. bringen, jene Polizistin, die im April 2020 in der Nähe des LKA in der Stuttgarter Taubenheimstraße zwei Kollegen im Streifendienst – J.G. und T.R. – aufgefallen war. Sie wird am kommenden Freitag vor dem Gremium aussagen. "Als diese die Hauptkommissarin ansprachen, brach diese in Tränen aus", schreibt der Journalist Franz Feyder Anfang November in den "Stuttgarter Zeitungsnachrichten" (StZN). Und weiter: "Sie führte eine Plastiktüte mit leeren Bier- und Sektflaschen mit sich und sagte aus, sie sei mit einer Kollegin – trotz geltender Corona-Beschränkungen – zu einem 'Antrittsbesuch' beim damaligen Vize des LKA gewesen. Dieser habe sie angewiesen, eine nicht durch Video überwachte Tür des Amtes zu nutzen." Vize des LKA war Andreas Renner.
Aufklärungswille über Fraktionsgrenzen hinaus
Der Vorfall war im Prozess gegen Renner bereits kurz angerissen worden. Jetzt will die Opposition mehr erfahren. Geladen sind insgesamt vier Zeug:innen, darunter der Vorgesetzte, dem die Streife von dieser außergewöhnlichen Begegnung erzählt hat. Auffallend ist die Reihung der Auftritte, denn zuerst und vermutlich weitgehend in öffentlicher Sitzung kommen jene Beamt:innen zu Wort, die nicht selber an dem Treffen im LKA teilgenommen hatten, davon ausgehend, dass I.K. Details erzählt hat. Vorgesehen ist aber auch, Befragungen auf Basis von als geheim eingestuften Akten oder zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten nicht öffentlich durchzuführen. Rund um die Zeugin I.K. könnte die Auslegung Letzterer spannend werden. Denn einen "Antrittsbesuch" hätte sie zumindest unter anderem dienstlich abgestattet und müsste deshalb dazu öffentlich aussagen können.
Anders als in anderen Untersuchungsausschüssen sind alle Fraktionen in der Bewertung heikler Details in den internen Verfahrensdiskussionen immer wieder einer Meinung. Pikant: Die Grünen stimmen förmlich, aber auch informell hinter verschlossenen Türen mit der Opposition, um zum Beispiel von der CDU kritisierte Fragen für zulässig zu erklären in der Öffentlichkeit des Plenarsaals, vor Medienvertreter:innen und einigen hartnäckigen Besucher:innen, darunter Polizeibeamt:innen i.R..
Ob sich noch mehr Frauen melden?
Nicht nur aktenkundig, sondern bereits durch die Aussagen vor den Abgeordneten belegt sind gesellige, feuchtfröhliche Feierabendrunden im Innenministerium und im LKA. Möglicherweise werden im weiteren Fortgang des Ausschusses nun weitere Treffen und "Antrittsbesuche" bekannt, möglicherweise sehen sich nach den Aussagen vom Freitag weitere Mitarbeiterinnen aufgerufen, über dienstliche Kontakte dieser Art zu berichten. Das Innenministerium hatte Ende September, wie seit Längerem angekündigt, eine Vertrauensanwältin berufen. "Wir schließen eine Lücke und ergänzen die Anlaufstellen, die es bereits gibt", so Innenminister Thomas Strobl (CDU) damals. Denn: "Sexismus und sexuelle Belästigung haben in der Verwaltung und bei der Polizei keinen Platz." Verfehlungen dürften nicht unter den Teppich gekehrt "oder als vermeintlich dummer Spruch abgetan werden".
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gerhard manthey
am 15.12.2023