Vergangenen Februar lehnte sich Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) weit aus dem Fenster und verglich einen Untersuchungsausschuss im Landtag mit einem Soufflé: Das Gremium, das gerade die Beförderungspraxis in der Landespolizei auf den Prüfstand stellt, brachte der stellvertretende Ministerpräsident mit dem aufgeblasenen französischen Dessert in Verbindung, um ihm so die Daseinsberechtigung abzusprechen. Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Reihenweise Erkenntnisse über zweifelhafte Karrieresprünge liegen vor. Und Strobl sagte am vergangenen Dienstag, er sehe keinen unmittelbaren Handlungsbedarf für sein für die Polizei verantwortliches Ministerium – er wolle den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses nämlich nicht vorgreifen, das gebiete der Respekt. Jetzt auf einmal.
In der Kabinettsitzung vom 11. Juli 2023 vertritt der Innenminister nicht nur den erkrankten Winfried Kretschmann. Er kopiert den grünen Ministerpräsidenten sogar, indem er sich wie dieser seit Wochen hinter einer sogenannten "Linie" verschanzt: Die Arbeit der Parlamentarier:innen soll demnach erst bewertet werden, wenn der Abschlussbericht des Ausschusses vorliegt. Also irgendwann im Jahr 2024 oder sogar noch später.
Auf diese Weise verweigert die grün-schwarze Regierungsspitze im Schulterschluss die Realität. Längst berichten nicht nur Gewerkschafter:innen vom anschwellenden Unmut in den Reihen der Polizei. Manche Beamt:innen, heißt es, müssten sich sogar auf Familienfeiern oder im Urlaub verteidigen für die bekanntgewordenen Informationen zu den seltsamen Vorgängen an der Spitze der Landespolizei: von Sex-Affären bis zu Beförderungspraktiken, die an Klischees aus bösartigen Filmen erinnern. Dafür können die vielen Unbeteiligten nichts, auf den Ruf der gesamten Truppe färbt es trotzdem ab.
Immer neue Missstände treten zutage
Währenddessen werden immer mehr Missstände öffentlich. So wurde die jüngste Ausschusssitzung am vergangenen Montag, die inzwischen 15., mit Spannung erwartet. Insbesondere weil Christian Gehring als Zeuge gehört wurde. Der frühere Personenschützer und Schorndorfer CDU-Abgeordnete ist selber Ausschussmitglied, bestens vernetzt in der Polizei und vom früheren Präsidenten des Landeskriminalamts, Ralf Michelfelder, beschuldigt worden, ihn durch die Verbreitung haltloser Unterstellungen angeschwärzt zu haben, um Michelfelders Glaubwürdigkeit als Zeuge zu diskreditieren.
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Frieder Kohler
am 13.07.2023