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Polizei-Skandal und CDU

Wie in den guten alten Zeiten

Polizei-Skandal und CDU: Wie in den guten alten Zeiten
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Winkelzüge zur Abwehr von Gefahren für Spitzenpolitiker haben in Baden-Württembergs CDU eine lange Tradition. Zu oft gehen die Manöver schief, die Karriere ist geknickt. Der Unionsabgeordnete Christian Gehring, der als Obmann im Untersuchungsausschuss zum Polizeiskandal offenbar selbst Teil der Affäre ist, ist eine Ausnahme. Erst einmal.

Wer darf Mitglied in einem Untersuchungsausschuss sein? Der Gesetzestext dazu ist eindeutig: "Ein Mitglied des Landtags, das an den zu untersuchenden Sachverhalten persönlich und unmittelbar beteiligt ist, darf dem Untersuchungsausschuss nicht angehören." Christian Gehring, der frühere Personenschützer und Kriminalhauptkommissar aus Schorndorf, ist offenbar ein solches Mitglied – in dem Gremium, das unter anderem die Besetzungs- und Beförderungspraxis bei der Polizei im Land in der Ära von Innenminister Thomas Strobl (CDU) zu durchleuchten hat. Seit Montagnachmittag ist der CDU-Abgeordnete durch eine Aussage des früheren Präsidenten des Landeskriminalamts (LKA) Rolf Michelfelder in Bedrängnis geraten. Denn der hat Gehring im Zeugenstand als Quelle von Verunglimpfungen benannt, die ihn, Michelfelder, öffentlich in ein schlechtes Licht rücken sollten.

Dass die CDU ein Interesse daran haben könnte, den Zeugen zu diskreditieren, erscheint nicht abwegig. Aus den Reihen der Union wurde der wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe vor Gericht stehende und vom Dienst suspendierte Inspekteur der Polizei (IdP) Andreas Renner bislang fachlich in den höchsten Tönen gelobt. Von Strobl ohnehin. Immerhin legte Renner eine Blitzkarriere bis ganz an die Spitze der baden-württembergischen Polizei hin.

Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass Michelfelder nicht besonders viel von dem Kollegen hält. Schon vor einem Jahr wurde deshalb versucht, über Medien Anrüchiges über Michelfelder zu lancieren. Aus Sicht der CDU war der Zeitpunkt mit Bedacht gewählt. Die Ausschussarbeit begann gerade, da hätte es gut gepasst, wäre der profilierteste Renner-Kritiker öffentlich desavouiert und seiner zu erwartenden Aussage im Parlament damit die Seriosität genommen worden.

Der Spitzenpolizist als Sicherheitsrisiko

Zumindest die Vorahnung der Schwarzen, dass das Urteil des ehemaligen LKA-Präsidenten nicht allzu positiv ausfallen würde, traf zu: Michelfelder packte am vergangenen Montag aus. So hatte er die Beförderung von Renner zu seinem Vize im Jahr 2019 sogar als "Sicherheitsrisiko" bezeichnet, weil Renner die operative Erfahrung für den Posten gefehlt habe: "Jeden wichtigen Vorgang, der über seinen Tisch ging, musste ich nochmals überprüfen und korrigieren." Im "praktischen Doing" sei er "oft unsicher" gewesen. Über den Flurfunk sei publik geworden, dass, "wenn ich nicht da war", der heutige Staatssekretär im Justizministerium Siegfried Lorek (CDU) zu Besuch im LKA auftauchte. Was der Präsident unterband, weil er "keine einseitigen" Informationen nur an bestimmte Fraktionen" duldete.

Einmal, so der Zeuge vor den Abgeordneten, habe ein diensthabender Beamter Renners Bürotür geöffnet in der Annahme, der habe versehentlich das Licht brennen lassen. Weit gefehlt: Es wurde gefeiert, mit einer ganzen Batterie von Flaschen auf dem Tisch. Renner versuchte sogar Zugriff auf den Outlook-Account seines Vorgesetzen zu bekommen. Die Aktion verlief im Sande, passt aber ins Bild. Ebenso, dass Michelfelder nie nach einer Bewertung der Arbeit seines Vizes gefragt wurde, als der für den weiteren Aufstieg die Note fünf brauchte: "Dieses fachliche Niveau besaß er aus meiner Sicht nicht." Starker Tobak in der 14. Sitzung des Untersuchungsausschusses, in der eigentlich auch noch Hans Matheis zu Wort kommen sollte: Renners deutlich höher qualifizierter, aber unterlegener Mitbewerber um das Amt des IdP, heute Polizeivize in Karlsruhe.

Doch für eine weitere Befragung blieb keine Zeit. Michelfelder war bei seiner Aussage deutlich anzumerken, dass er bereit war, neue Details preiszugeben. Er suchte alte SMS in seinem Handy und las sie vor, wobei er handelnde Personen mit Klar- oder zuzuordnenden Vornamen benannte – auch der Name Christian Gehring tauchte auf, der falsche Anschuldigungen gestreut haben soll. Michelfelder kam auch auf jene Wochen im Frühsommer 2022 zu sprechen, als im Innenministerium plötzlich immer neue Journalistenanfragen zu seiner Person eingegangen seien. Bei denen zum Beispiel versucht worden sei, ein Treffen mit seinem Nachfolger Andreas Stenger zu skandalisieren. Und sie drehten sich um einen ausgemusterten Diensthund in seinem Büro. Dazu sei behauptet worden, Michelfelder habe weiterhin Zugang zum LKA und ein Diensthandy.

"Das plötzliche Interesse an mir war offenkundig", so der Zeuge. Nach eigener Aussage ging er dann presse- und datenschutzrechtlich gegen solche Aktionen vor, bekam Recht vom Landesdatenschutzbeauftragten mit seiner Auffassung, dass Auskünfte auf derartige Fragen nicht zulässig sind. "Das hat mich so angefasst, dass ich einen Brief an den Minister geschrieben habe", sagt Michelfelder. Zu diesem Zeitpunkt ist in dieser denkwürdigen Sitzung noch immer keine Reaktion unter den schwarzen Parlamentariern zu erkennen. Ihre Obfrau Christina Staab musste sich später in der internen Krisenberatung erst einmal vergewissern, ob der Zeuge wirklich den Namen Gehring als Quelle der versuchten Verunglimpfungen genannt hatte.

Nicht immer klappt das Aussitzen

Schnell wird dann aber nicht nur der Opposition klar, dass die CDU-Fraktion weitere Aufklärung scheut und erst einmal, wie in den guten alten Zeiten, eine Wagenburg errichten will. Gehring hätte sich sofort zurückziehen und seinen Sitz im Ausschuss räumen können. Stattdessen spielt der 44-jährige frühere Personenschützer auf Zeit.

An Beispielen, dass und wie es in solchen Lagen dann doch noch zum offenen Brand kommt, ist kein Mangel. Die mehr als dubiose, aber lukrative, weil millionenschwere Spendenpraxis in der Südwest-CDU in den Siebzigern kam schlussendlich doch ans Licht. Lothar Späth (CDU) versuchte sich zehn Jahre später in der Traumschiff-Affäre sogar auf Kosten einer schwer kranken Mitarbeiterin in der CDU-Landesgeschäftsstelle im Amt zu halten, bis das Eis angesichts heikler Details aus der Privatsphäre immer dünner wurde und Späth gehen musste. Der EnBW-Ausschussvorsitzende Ulrich Müller (CDU) stolperte 2013 über eine filmreife Übergabe von geheimen Akten an den im Mittelpunkt einer anderen Affäre stehenden Ex-Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU). Auch der heutige Staatssekretär im Kultusministerium Volker Schebesta (CDU) musste als Ausschussmitglied nach einschlägigen SMS-Kontakten den Hut nehmen.

Besonders schwer muss für die Schwarzen aktuell wiegen, dass nicht nur Gehring gehört wird in der nächsten Sitzung, sondern Michelfelder noch längst nicht am Ende zu sein scheint. Am Dienstagnachmittag tagte erst einmal die Fraktion. Offiziell wurde die Losung "Wir schweigen" ausgegeben. Inoffiziell wird "die eigene Performance im Ausschuss" kritisiert. Es könne gut sein, sagt einer, dass Gehring den Ausschuss verlassen muss. Ein Erdbeben – will heißen: Strobls Rücktritt als Innenminister – sei aber weiterhin nicht zu erwarten. Und das hat vor allem einen Grund: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zieht seine schützende Hand nicht zurück. Auch nicht jetzt, da er weiß, dass sein Stellvertreter einen Beamten, der von seinem direkten Vorgesetzten als "Sicherheitsrisiko" eingestuft wurde, trotzdem zum ranghöchsten Polizisten im Land gemacht hat.


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2 Kommentare verfügbar

  • Philippe Ressing
    am 23.06.2023
    Antworten
    ....ha und noch ein Tip für die Tatort-Drehbuchautoren beim SWR....
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