KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Solidarisch gegen Einschüchterung

Solidarisch gegen Einschüchterung
|

Datum:

Die Jahrestagung von Netzwerk Recherche gilt als eines der wichtigsten Journalist:innentreffen in Deutschland. Kontext war am Wochenende mit gleich zwei Referentinnen beim Gastgeber NDR in Hamburg vertreten: Chefredakteurin Anna Hunger zu Slapp-Klagen und Kontext-Mitbegründerin Susanne Stiefel als Expertin in Sachen Gemeinnütziger Journalismus.

Strategische und missbräuchliche Klagen – das versteckt sich hinter dem Anglizismus Slapp (Strategic Lawsuits against Public Participation). Und damit schlagen wir uns bei Kontext seit nunmehr fünf Jahren herum. 2018 schrieb Anna Hunger über die rassistischen Chats eines Mitarbeiters zweier AfD-Abgeordneter im baden-württembergischen Landtag. Genauso lange schon versucht eben dieser Mitarbeiter, Marcel Grauf, diesen Artikel auf juristischem Wege aus dem Netz zu klagen. Was diese schwebende juristische Keule und die damit verbundene finanzielle Bedrohung für ein kleines Projekt wie Kontext bedeutet – darüber berichtete Anna Hunger in Hamburg. Ein Fall "aus dem richtigen Leben", wie sie vom Diskussionsleiter angekündigt wurde. Darüber, wie viel Kraft es kostet, inzwischen dreimal vor Gericht zu erscheinen und sich nicht den Schneid abkaufen zu lassen. Und kein Ende in Sicht: Der vierte Termin im Februar nächsten Jahres beim Oberlandesgericht in Frankfurt steht fest.

Längst ist Kontext dabei nicht mehr allein, Slapp-Klagen nehmen zu. Sie sind ein Angriff auf Demokratie und Meinungsfreiheit. Inzwischen ist eine EU-Richtlinie auf dem Weg, die missbräuchliche Klagen verhindern will. Und die Kolleg:innen von "Frag den Staat", dem Portal für Informationsfreiheit, haben seit gestern einen Gegenrechtsschutz angestoßen und einen Fonds aufgelegt, der finanzielle Hilfe bieten soll. Ein Schritt, der freien Journalist:innen und gemeinnützigen Projekten wie Kontext zukünftig helfen soll. An die Gegenstrategien, die vom Juristen der Gesellschaft für Freiheitsrechte aufgezeigt wurden, haben wir uns schon gehalten: nichts unterschreiben, einen Anwalt nehmen (wir haben einen guten), sich vernetzen. Bleibt noch die Frage der Finanzierung. Dabei soll nun der Fonds helfen. Auch mit unserer Erfahrung aus nun schon zwölf Jahren als gemeinnütziges Wochenzeitungs-Projekt.

Oder besser: als eine der ersten Zeitungen, die sich die Gemeinnützigkeit auf die Fahnen und in die Satzung geschrieben hat. Denn Gemeinnützigkeit für den Journalismus ist in Deutschland – anders als bei Hundesportvereinen, Bridge-Clubs und schlagenden Burschenschaften – nur über Umwege möglich. Der von Kontext: die Bildungssparte, die wir neben dem Zeitungsmachen bedienen. Andere, wie das junge "Karla"-Magazin in Konstanz, haben sich Kulturförderung auf die Fahnen geschrieben. Der Umweg ist zwar möglich, gibt aber keine Rechtssicherheit. Dass die Politik sich um genau diese Rechtssicherheit kümmert, steht zwar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, bisher passiert ist in der Hinsicht aber wenig. Kontext-Mitgründerin Susanne Stiefel ist auch Gründungsmitglied des Forums gemeinnütziger Journalismus, das der Politik Beine machen will und die Gemeinnützigkeit für Medien langsam aber stetig vorantreibt. "Wie soll guter Journalismus in Zukunft funktionieren, wenn in den großen Medienhäusern immer mehr Leute entlassen werden, weil die Chefetagen noch die letzten Renditen herauspressen wollen?", fragt Susanne Stiefel zu Recht. Wenn es Landstriche gibt, in denen überhaupt keine Zeitung mehr existiert? Für sie ist klar: "Es braucht neben den Öffentlich-Rechtlichen und der Verlegerpresse eine dritte Säule, und das ist der Non-Profit-Journalismus."

Mit einer hoffentlich baldigen Rechtssicherheit würden sich auch die Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte wie Kontext verändern: Stiftungen, die heute noch recht zurückhaltend sind, könnten viel freier agieren. Auch ein Finanzierungsmodell wie das der Öffentlich-Rechtlichen wurde auf dem Podium diskutiert. Oder eine Art Fonds, aus dem das Geld nach bestimmten Kriterien verteilt wird. Wäre gar eine Journalismus-Steuer wünschenswert? Lukas Harlan von der Schöpflin-Stiftung ist gegen eine Steuer, wünscht sich aber, dass Stiftungen in Deutschland, die Medien unterstützen, enger zusammenfinden.

Wie wichtig das Thema Non-Profit-Journalismus in den vergangenen Jahren geworden ist, zeigte ein Blick in den kleinen Saal, in dem die Diskussion stattfand: so voll, dass selbst vor der Tür noch Interessierte das Ohr hineinhielten.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


2 Kommentare verfügbar

  • gerhard manthey
    am 21.06.2023
    Antworten
    "Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung" (SKGöB) wie der deutsche Begriff gegen diese besondere Form der Belästigung umschrieben wird und vorrangig nach dem Willen der EU-Kommission vom 28.4.2023 dafür eingesetzt werden soll, um Äußerungen und Angelegenheiten im öffentlichen Interesse zu…
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!