Es war, als hätte es den Bürgermeister nie gegeben. Keiner der Festredner erwähnt seinen Namen. Weder die Vertreterin der Landrätin, noch der Schulrektor, noch der Vertreter der Vereine, auch die Pfarrer nicht. Nur der Mann vom Verwaltungsverband Laucherttal sagt, Holger Jerg habe Gammertingen geprägt. Er führt nicht weiter aus, wie er das getan hat, doch an diesem Abend hat man den Eindruck, dass es etwas Bedrückendes sein musste, eine Art Grauschleier über dem Städtchen, den er zurückgelassen hat.
Jerg, Jahrgang 1962, war 24 Jahre lang Bürgermeister und bei der CDU. Bei unserem letzten Besuch im August vergangenen Jahres in seinem Amtszimmer voller düsterer Ölgemälde hat er versichert, er trage die Sorgen seiner Bürger:innen stets mit sich. Ist das der Dank?
Die Festreden werden bei der Amtseinsetzung des Neuen am 13. Juni gehalten. Sie findet in der Mensa der Laucherttal-Schule statt, deren Bühne etwas Aussegnungshaftes hat, passend dazu die Stadtkapelle, die "Always on my mind" intoniert. Mehr geht nicht in Gammertingen, weil alles andere Luxus wäre: eine Stadthalle zum Beispiel, die seit vielen Jahren geplant und immer wieder verschoben worden ist. Der Neue heißt Andreas Schmidt, ist 39 Jahre alt, Geschäftsführer bei der Diakonie ("Die Zieglerschen") gewesen und, gemessen an den Gratulationen, ein Sonnenstrahl über der Schwäbischen Alb.
Merkel, Mercedes, Großbrand – alles Göggel
Vor seiner Zeit ist die 6.431-Seelen-Gemeinde im Landkreis Sigmaringen nicht weiter aufgefallen, außer durch drei Ereignisse, die allesamt mit Reifen-Göggel, dem wichtigsten Unternehmen am Ort, zu tun hatten: Angela Merkel war am 14. Februar 2011 zum Wahlkampf dort. Am 3. Januar 2014 heiratete Bürgermeister Jerg im Oldtimer-Mercedes 300 von Firmenchef Göggel. Und am 23. Juli 2022 brannte das Lager von Deutschlands größtem Reifenhändler lichterloh (Kontext berichtete).
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Philippe Ressing
am 23.06.2023