Der Richter spielt an diesem Nachmittag sechs von elf circa 20-minütigen Videos vor, dann findet auch er, es reiche, der Rest werde am nächsten Verhandlungstag gezeigt. Zu erwarten ist: reden, knutschen, rausgehen, reinkommen. Laut Anklage hatte die Hauptkommissarin draußen vor der Kneipe XXXXXXXX XXXXXX XXXXX XXXXXXXXXX XXXXX XX XXX XXXX XXXXXX, sich geekelt, aber nicht getraut sich zu wehren wegen des Abhängigkeitsverhältnisses. Denn: Dieser Kneipenbesuch war Abschluss eines Tages, an dem sie sich mit Renner bereits in dessen Büro getroffen hatte. Renner sei, so die Anklage, ihr Mentor gewesen, der ihr beim Bewerbungsverfahren für den höheren Dienst helfen sollte. Gleichzeitig saß er auch in der Auswahlkommission. Schon im Büro gab's Sekt, es folgte eine erste Kneipe zusammen mit Kollegen, dann zogen die beiden alleine in die nächsten Kneipe. Und auch ohne Video fragt sich der erwachsene Mensch: Wie bitte? Der Mann, ihr Vorgesetzter, soll sie beraten und dann wird den halben Tag und die halbe Nacht gesoffen?
Sind Frauen selber schuld?
Die Irritation ist auch den vier Besucher:innen anzumerken, die nach der Verhandlung vor dem Gericht diskutieren und ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen. Jedenfalls dreien der vier. Der vierte ist ein pensionierter Kriminalkommissar und der ist weniger irritiert als vielmehr erbost und zwar über die Personalpolitik bei der Polizei. "So jemanden will doch weder die Gesellschaft noch irgendeiner in der Polizei als Chef haben", sagt er sichtlich sauer. Die alte Dame findet das Ganze zwar unappetitlich, aber herrje, "der Mann hat eben auch ein Privatleben. Und sie hätte doch gehen können. Das sah jedenfalls nicht aus wie Zwang." Die etwas Jüngere, lockiges Haar, ist kurz vor der Schnappatmung. "Ich kann das nicht mehr hören! Immer sind die Frauen selber schuld. Das wurde mir schon als junges Mädchen gesagt: Du musst dich nicht wundern, wenn du so einen Minirock trägst." Jetzt sei sie Anfang 60 und noch immer werde "so ein Scheiß geredet". "Aber den mussten Sie ja auch nicht tragen, den Mini", sagt die alte Dame. Und schmunzelt leicht. Bevor die Locken-Frau wieder Luft holen kann, schaltet sich der dabeistehende Mann ein. Der Mittvierziger meint: "Der wird verurteilt. Ganz bestimmt. Da waren im Vorfeld ja schon andere Sachen. Der soll ja XX XXXXX XXX XXXX XXXXXXXXX XXXXX." Er hat die "Bild" gelesen. Unter anderem da stand in den Tagen vor dem Prozess, Renner habe in seiner Zeit, bevor er Polizeiinspekteur wurde, XXXXXXXX XXXXXXXXXX. "Das belastet ja auch", ist sich der Mann sicher.
Der Kriminalkommissar zuckt mit den Schultern. "Ich setze auf das Disziplinarverfahren, das noch aussteht." Da würde Renners Verhalten bewertet, das könne bis zur Entfernung aus dem Dienst führen. Und wer leitet dieses Disziplinarverfahren? Der Pensionär lacht. "Gute Frage. Tja, diejenigen, die ihn auf den Inspekteursposten gehievt haben." Renner möge zwar "blitzgescheit" sein, aber: "Das reicht nicht." Ihm selbst sei in seiner Laufbahn eindringlich der Rat gegeben worden: Nie was mit einer Kollegin anfangen, das gehe für beide immer schlecht aus. Aber, so der ehemalige Polizist, die Kultur in der Polizei sei schlimm geworden. "Kein Mut, keine Kritik." Mittlerweile würden zu viele "Projektler" Karriere machen. "Der Renner ist auch so einer. Der hat nicht zehn Jahre im Revier gearbeitet."
Die Frau mit den schwarzen Locken würde wetten, dass Renner freigesprochen wird. "Die kommen doch immer durch, diese Typen." Zumal es ja zwei Schöffinnen gebe, sagt die alte Dame. Sie findet: "Bei so einem Fall müsste es ein Mann und eine Frau sein. Aber das spielt wohl keine Rolle bei Gericht." Der Mittvierziger ergreift wieder das Wort und hat plötzlich eine andere Sichtweise. "Vielleicht will die Frau sich rächen an dem Renner, weil sie ja nun nicht im höheren Dienst ist." Einspruch von der jüngeren Frau: "Ihre Bewerbung hat sie selbst zurückgezogen." Er: "Die soll ja auch was mit ihrem früheren Chef gehabt haben. Hmm." Den Ex-Kommissar interessiert etwas anderes: "Es ist ein Skandal, wie der Renner Inspekteur geworden ist." Da habe der Strobl (Thomas, Innenminister, CDU) gesagt, macht das mal passend für den und "dann haben die das gemacht". Das wisse er aus dem Untersuchungsausschuss des Landtages, in dem derzeit die Beförderungspraxis in der Polizei untersucht wird. Ein normales Bewerbungs- und Auswahlverfahren sei das jedenfalls nicht gewesen, damals Ende 2020. Und er glaubt: "Wenn der Renner verurteilt wird, ist der Strobl auch weg."
Im Corner wird VfB geguckt
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Frieder Kohler
am 24.05.2023