Im Schutz einer großen Blockfahne hantieren mehrere KSC-Fans mit Rauchtöpfen und bengalischen Fackeln. Auf der rechten Seite der Tribüne im Wildparkstadion ist bereits blauer und weißer Rauch zu sehen. Innerhalb weniger Augenblicke ist die ganze Südkurve in dichten Rauch gehüllt. Eine Karlsruher Ultra-Gruppierung feiert ihr 20-jähriges Jubiläum mit einer großen Pyro-Show. Es ist die erste Choreographie mit Pyrotechnik seit der Eröffnung des neuen Stadions und der Wind weht an diesem Novembertag 2022 ungünstig. Schnell ist das ganze Stadion eingenebelt. Die Aktion endet mit elf Verletzten, eine Person muss ins Krankenhaus, da der eingeatmete Rauch nach Angaben der Staatsanwaltschaft Karlsruhe "mutmaßlich zum Verlust von sieben Prozent der Lungenkapazität" führte. Weitere verletzte Stadionbesucher:innen klagen über Atemprobleme, Augenbrennen, starke Hustenanfälle, Halskratzen, Kopfschmerzen oder Übelkeit.
"Allen Beteiligten war gleich klar, dass da etwas schiefgelaufen ist", sagt Volker Körenzig, Sozialarbeiter und Leiter des Karlsruher Fanprojekts, das auch den KSC-Ultras Räume bietet. Die Ultras selbst entschuldigten sich einige Tage später bei allen Betroffenen und Verletzen. Das Ausmaß der Pyro-Aktion sei so nicht geplant gewesen und würde sich nicht mehr wiederholen. Im Gespräch mit dem Verein betonten die Ultras, sich gerne persönlich bei den Verletzten entschuldigen zu wollen. Dies taten sie dann auch in einem "Wiedergutmachungsgespräch", das unter Vermittlung des Vereins und des Fanprojekts zustande kam. "Für alle war das Gespräch super, die Jungs konnten sich erklären und sich entschuldigen. Die Geschädigten erhielten Antworten und ein sichereres Gefühl, wieder ins Stadion zu gehen", berichtet Körenzig vom Gespräch.
Vorladungen zerstören Vertrauen
Doch dieses Gespräch hat jetzt Folgen für Körenzig und seine Kolleg:innen des Karlsruher Fanprojekts. Sie erhielten eine polizeiliche Vorladung im Auftrag der Staatsanwaltschaft und sollen als Zeug:innen aussagen. Eine Teilnahme am Wiedergutmachungsgespräch könnte den Behörden Beweise liefern, wer der aktuell 24 Beschuldigten an der Pyro-Aktion tatsächlich beteiligt war. Solche Gespräche und die Arbeit mit den Ultras sind Teil der pädagogischen Arbeit der Fanprojekte. "Wir bieten einen geschützten Raum", sagt Körenzig. "Wenn wir jetzt sagen, die waren dabei, dann können wir gleich zumachen. Dann wird nie wieder jemand zu uns kommen."
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günther
am 08.05.2023