Natürlich ist Fußball die bekannteste und größte Sportart hierzulande, und es ist ja schon klar, dass der Fußball zwar "nur" ein Spiel, aber doch zweifelsohne weit mehr als die wichtigste Nebensache der Welt ist. Andererseits ist dieses Land immer noch ein freies, weswegen ich ganz ohne Furcht hier und heute öffentlich schreiben, wenn nicht gleich laut rufen darf, dass mir das ganze leidige Gewese um die Herren Fußballprofis und ihre Entouragen besonders aus der ersten Bundesliga geradezu meterweit zum Hals heraushängt. Ganz aktuelles Highlight unter etlichen anderen ist das durch alle Ritzen aggressiv stinkende Geschachere um die Finanzinvestorenbeteiligung an der Deutschen Fußball Liga DFL, laut FAZ soll mit frischem Geld unter anderem die Digitalisierung vorangetrieben werden. Fraglich, warum die DFL ausgerechnet zum Digitalisieren frisches Geld braucht von Leuten, die ausschließlich mitbieten, um möglichst viel Profit wieder herauszuziehen, wo sie doch pro Jahr Hunderte Millionen Euro aus den TV-Rechten einnimmt. Feines Detail auch, dass unter den potentiellen Investoren hochkorrekte Organisationen wie Blackstone stehen, die bzw. deren zugehörige Unternehmen zuletzt laut Washington Post überführt wurden, 102 Dreizehnjährige zur Reinigung US-amerikanischer Schlachtanlagen eingesetzt zu haben. Da klingen die wohlfeilen Forderungen von DFB und DFL zur Regenbogenbinden- und insgesamten Menschenrechtsfrage von Katar ja gleich noch besser.
Alles immer ganz wichtig: Spieler, Funktionäre, Fans, Millionen, Milliarden – das Business dominiert von Leuten, die überwiegend dumm und doof zugleich sind, dafür umso profilneurotischer und ständig ans Licht und vor die Mikrofone drängend, die wiederum allzu bereitwillig hingehalten werden von Medienschaffenden, die sich gerne immer schneller mitdrehen auf diesem Karussell der Kohle, die die Welt regiert und die mit vollen Händen von den handelnden Personen in alle möglichen Taschen versenkt wird. Langer Satz, musste raus.
Wann, wenn nicht jetzt?
Fußball, Fußball, Fußball, aber nur noch der Fußball von FIFA und DFL, der Fußball zum Taschenfüllen und Egos pflegen, zum Intrigieren und Korrumpieren. Die Großen jonglieren mit den Millionen, und die "Kleinen", die Fans, ergehen sich in Folklore und Forderungen und wundern sich, warum sie nicht ernst genommen werden. Es ist alles nicht mehr schön, und auch von meiner Seite seinerzeit geäußerte Forderungen nach mehr Sportsmanship auf und neben dem Platz können wir uns, seien wir mal ehrlich, doch bitte sonstwohin stecken. Denn das große Ganze wird sich nicht ändern, weswegen es umso schöner wäre, doch zumindest hier und da ein paar Oasen zu schaffen, in denen es anders läuft, auf dass auch andere erkennen, dass es möglich ist. Dass es anders laufen kann. Meine Wunschoase Nummer Eins wäre da natürlich, Sie werden es sich denken, der VfB Stuttgart. Und zwar wann, wenn nicht jetzt, wo der Club seit 15 Jahren mehr schlecht als recht vor sich hin dilettiert, immer wieder mal absteigt, längst abgehängt wurde nicht nur von den ganz Großen, sondern auch von den ehemals Kleinen. Wo der Hauptsponsor und Ankerinvestor sich insgesamt aus dem Fußball zurückzieht, dem Fußball der FIFA und des DFB. Wo vielleicht abgestiegen wird, zum dritten Mal innerhalb weniger Jahre, oder wo gerade noch die Klasse gehalten wird – aber wo abzusehen ist, dass man auch in Zukunft niemals wieder wird mitstinken können im Konzert der ganz Großen. Immer zu wenig Kohle, immer zu viel Ego, immer zu viel Dummheit.
Die von VfB-Trainer Sebastian Hoeneß, dem vierten Trainer der aktuellen Saison und dem ca. 30sten der letzten 25 Jahre, bei seinem Amtsantritt als drittes Ziel (nach Sieg im Pokal in Nürnberg und Klassenerhalt) genannte "klare Analyse (...) um die notwendigen Schritte einzuleiten für eine erfolgreiche Zukunft des VfB Stuttgart", die kann ich hier in aller Kürze auch vornehmen. Sie lautet: Vergesst es! Denn warum sollte plötzlich funktionieren, was seit 15 Jahren nicht funktioniert, was 20 Trainer hintereinander nicht hinbekommen haben?
Am Ende ist es doch im Profifußball auch nicht anders als überall sonst. Wie im Wohnungsbau, im Gesundheitssystem, bei der Bahn, bei allem: Wenn möglichst viel kurzfristiger Profit das Ziel ist, dann klappt das nicht auf Dauer. Dann schaut man, dass irgendwie die Klasse gehalten und Fernsehgeld kassiert wird. Und weil im Fußball, vielleicht noch eklatanter als anderswo, die Inkompetenz bei gleichzeitiger Selbstüberschätzung bis in die hintersten Ecken geradezu hineinwuchert (Ausnahmen bestätigen die Regel), klappt das eben häufig auch mal nicht mit dem Klassehalten. Dann verschwinden die Fernsehmillionen in den Taschen der Spieler und ihrer Berater und werden für all die Statussymbole dieser krankhaft geldgeilen Branche verpulvert. Und wenn auf dem Platz dann von immer neuen Planern zusammengestellte inkompetente Mannschaften herumkicken, denen das Wohl und Wehe des aktuellen Arbeitgebers völlig egal ist, weil sie immer wieder einen anderen Club finden, der ihnen das Geld hinterher wirft – dann steigst Du eben ab. Dann ist die Kohle weg, dann hockst Du auf einem Kader voller lustloser Kicker, musst die halbwegs Guten zu Geld machen und weniger Gute dafür holen.
Eine neue Philosophie
Was wäre denn, wenn ein Club, wenn der VfB Stuttgart eine andere Idee verfolgte? Eine Idee, die nicht nach sechs Monaten an der sportlichen Realität scheitern kann, weil die sogenannte sportliche Realität kein Maßstab ist für diese Idee. Wäre das nicht ein Ding?
Schaut nicht die Lilien auf dem Felde, sondern schaut nach Bilbao. Dort gibt es diese Idee. Und das sage ich jetzt nicht, weil just in diesem Monat ausgerechnet Thomas Hitzlsperger zum Botschafter des Athletic Club Bilbao ernannt wurde, wo sie ein ähnliches Konzept schon seit 1912 konsequent verfolgen. Sondern weil genau das die Idee ist, die ich für "meinen" VfB auch gerne hätte. Ein anderer Fußball. Ein anderes Konzept. Eine Philosophie, die endlich auch gelebt wird. Wir hauen nicht mehr jährlich schwulstige Konzepte raus und beginnen einen Tag später, uns kleinteilig bis in die letzte Twitterecke gegenseitig zu hintertreiben. Sondern wir tun, was wir sagen. Endlich.
1 Kommentar verfügbar
Jürgen Löhle
am 26.04.2023