Neulich haben sie den Formel-1-Autorennkalender für die Saison 2023 vorgestellt, und da ist mir wieder eingefallen, dass wir ja nicht nur die Heizung runterdrehen sollen wegen Putin, sondern auch nicht mehr fliegen wegen Klima. Kurzstrecke ganz abschaffen, alle zum Bahnhof zack zack – und interkontinental quasi Tabellenführer unter den Todsünden. Die F1 dafür 24 Rennen, von Bahrain bis Belgien, von Aserbaidschan bis Abu Dhabi, immer den ganzen Krempel hin- und herfliegen, fast jede Woche woanders. Es ist wirklich ziemlich viel Krempel, massenhaft Menschen und Material, da gibt es keine zwei Meinungen. Und warum gibt es da jetzt keinen gewaltigen, geradezu hysterisch keifenden Aufschrei in einer Zeit, in der es doch zu jedem zweiten Nischenthema einen Aufschrei gibt? Hat die F1 diese Unantastbarkeit, weil wir jahrzehntelang lernen durften, die Erkenntnisse aus dem Rennsport seien elementar für die Entwicklung guter Autos für uns alle? Da hat die Automobilindustrie, wie in etlichen anderen Bereichen, ganze Arbeit geleistet, uns die Hirne zu waschen, sie richtig ordentlich durchzuspülen. Da freuen wir uns doch, wenn endlich neue Autobahnen gebaut werden, neue Trassen gelegt werden, Auto gut, alles gut.
Schnitt. Anderer Sport, anderes Milliardenbusiness, Fußball. Da gehen die Leute Woche für Woche ins Stadion, und was machen die Vereine, die Clubs? Kümmern die sich eigentlich um die Leute, die ja eine ihrer wichtigen Zielgruppen sind? Stuttgart, Sinsheim, was geht da? Warum immer nur exklusiv und so billig wie möglich Eurest und Aramark und Co, warum keine gescheite Wurst hier und eine gute Pizza da? Warum gibt's in Hamburg nachts an der Großen Freiheit für zwei Euro sehr geile Pizza aus dem Steinofen 24/7 – und im Stadion gibt's nur, nun ja, fette Pappe mit Analogkäse drauf? Geht so Kundenpflege? Oder pflegt man nur die Kunden, die sich für ca. 450 Euro pro Spiel einen Businessseat oder einen Logenplatz kaufen? Wobei es ja auch im Businessbereich zumindest beim VfB alles andere als erste Sahne gibt, nicht mal permanent stabile Rote in der Halbzeit, sondern gerne auch mal einen "Pizzafleischkäse" oder ähnlich Aberwitziges und kaum Verdauliches.
Die "Servela" im (externen, auf der anderen Autobahnseite liegenden) "Elfmeter" in Sinsheim schmeckt besser als die Rote im Stuttgarter Neckarstadion, wie kann das sein? Und dann die Anstoßzeiten unterwöchig, 2030, also wenn man nicht mehr 23 ist und Student und am nächsten Tag nicht bis 14 Uhr schlafen kann – wie soll das gehen? Wie sollen die Kölner dienstagabends in München ihren EffZeh anfeuern, danach, also um kurz vor Mitternacht, im Fanbus sitzen und nach Hause fahren, nach Köln oder sonstwohin? Wer da beim Ford arbeitet, oder wo man eben in Köln so schafft – wie soll der oder die am nächsten Morgen auch nur halbwegs fit zur Arbeit erscheinen können, selbst wenn er oder sie nur ein paar Bier getrunken hat oder gar keins und erst recht keine Schnäpse? Kein Wunder schmeißen die die Leute massenhaft raus, kann ja niemand mehr richtig schaffen, weil nachts auf der Autobahn statt im Bett.
Zum Geburtstag gibt's Rabatt vom VfB
Und dann wäre da noch der Ausschank im Stadion. Wer dort 20 Minuten ansteht und sieht, mit welcher fast schon strafbaren Unfähigkeit die Leute zapfen, Essen ausgeben, kassieren, Wechselgeld etc. – was bedeutet das, was für ein Bild haben die Clubs von ihren Anhängern, Fans, zahlenden Stadionbesuchern? Welchen Grad von Wertschätzung der Zielgruppe darf ich hier unterstellen? Muss ich wirklich annehmen, die Deutsche Fußball Liga und der DFB und die Clubs kümmern sich zunächst mal um die Optimierung der Anstoßzeiten für die Menschen in China, und es ist ihnen scheißegal, wie unwirtlich ein Stadionbesuch hierzulande daherkommt?
Neulich hatte ich Geburtstag – und als Jubilar gibt's ja nun unter anderem auch eine Email vom Herzensclub, in meinem Fall bekanntermaßen der VfB. Kleines Glückwunschvideo und einen Rabattcode auf 15 Prozent im Shop. Eine der Mails, die man schnell anschaut und dann löscht. Aber heuer ist mir das Sternchen hinter "Rabatt" aufgefallen, da hab' ich unten geschaut, wo das andere Sternchen ist. Und siehe da, "der Rabattcode ist ab deinem Geburtstag für 2 Wochen gültig. Ausgenommen von dem Rabatt sind Trikots und Teamwear von JAKO, Champion Kollektion, Gutscheine, Tickets, Arena-Touren, Bücher, Lebensmittel und bereits reduzierte Artikel." Na, da sag ich doch Dankeschön und löse den Rabatt ein für ... ja für was denn eigentlich? Ein Waffeleisen mit VfB-Wappen? Und warum haben wir eine "Champion-Kollektion"? Ganz ehrlich, solche Dinge, was denken sich die Leute beim VfB? Also was ich denke, das dürfen sie ruhig wissen: Ein solch saudummes Kleingedrucktes im Geburtstagsgruß geht mir nicht nur gehörig gegen den Strich, sondern gewaltig auf den Sack.
Die Bundesliga scheint sich, Ausnahmen bestätigen die Regel, allein auf die riesige Faszination des Fußballs zu verlassen, darauf, dass die Leute auch dann noch teuer für Stadionbesuch und Catering bezahlen, wenn sie behandelt werden wie lästige Feinde statt willkommene Gäste. Genau andersrum sollte es doch sein. Die Wurst und das Bier überall so gut wie in Fürth, oder die Kässpätzle in Freiburg – da bekämen Sinsheim und Stuttgart und die vielen anderen ihren halbrohen Fraß ruckzuck um die Ohren. Und von der Toilettenlage will ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen.
Kickers-Fanprojekt besucht KZ
Paradoxerweise wird häufig einiges besser, wenn weniger Geld zur Verfügung steht. In Stuttgart gibt es ja bekanntermaßen neben dem VfB noch einen anderen Verein, die Stuttgarter Kickers, die zwar, kaum vorstellbar, noch um ein vielfaches schlechter kicken als die Jungs aus Cannstatt, dafür aber die bessere Wurst im landschaftlich schöner gelegenen Stadion verkaufen – und auch ein schönes Lied haben sie, die Kickers, mit Musik von Erwin Lehn und dem Text dazu vom wunderbaren Blacky Fuchsberger.
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