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Für und Wider Winter-WM

Endlich mal kein Glühwein

Für und Wider Winter-WM: Endlich mal kein Glühwein
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Unser Autor widmet sich ganz pragmatischen Erwägungen zur Herrenfußball-Weltmeisterschaft. Mit welch weitreichenden Entscheidungen die WM einhergeht und warum die Frage "gucken oder nicht?" zu eng gefasst ist.

Immer müssen wir uns entscheiden. Im Privaten, im Beruflichen, daheim und unterwegs, im Großen und im Kleinen. Freu' ich mich und bin stolz wie Oskar darüber, dass meine Kinder, je größer sie werden, immer mehr Sachen besser können als ich – oder muss ich missmutig kompensieren und mir einen Porsche kaufen? Schreib ich für Kontext oder für "Bild"? Ist der VfB Stuttgart in der heutigen Kolumne schon wieder Thema oder verschone ich die Leserschaft vor diesem immerwährenden Elend? Zu schreiben gäbe es ja genug über den Verein von 1893. Und bereits seit ein paar Wochen überlege ich, das leidige Geschachere um Personalien und Macht in Cannstatt von einem fiktiven Erzähler kommentieren zu lassen, einem Privatdetektiv, den Präsident Vogt anheuert, um den Dingen auf den Grund zu gehen.

In etwa so: "Private Investigator Steiner war langweilig. Damals, auf der Spur des habichtnasigen Big D unten am Kap, da war noch was los gewesen. Mit Maschinenpistolen auf Babynashörner, ich kann Dir sagen. Never forget. Dagegen war das heute eher Pillepalle, dem Long Hair auf die Finger schauen, hieß es, ultra gähn. Aber die Bähmulle zahlte gut, das musste man ihr lassen. 'Steiner, bringen Sie Licht in die Sache. Es werde Licht, Steiner!', brüllte es mehrmals täglich aus seinen Earphones bis runter in den Magen. Aber auch derartige Wortspiele ließen sich mit einem Blick auf die Habenseite des Kontos ganz gut ertragen ..."

Steiner und der VfB vielleicht später, da gehen die Inhalte ohnehin nie aus. Zunächst stehen aber andere Themen an.

Immer eine Wahl treffen müssen

So mussten wir uns am Wochenende auch in meiner Wahlheimatstadt Heidelberg entscheiden. Und zwar darüber, wer künftig unser Stadtoberhaupt sei. Im Wahlkampf machte der seit gefühlt drei Ewigkeiten amtierende, parteilose Eckart Würzner ("Espresso mit Eckart") das, was er immer macht, nämlich möglichst inhaltslos bleiben. Dass aber seine Herausforderin auf allen Plakaten und Bildern nicht wie eine mächtige Ministerin daherkam, sondern wie die müde Urgroßmutter Theresa, das müssen sich die Grünen und Kandidatin Theresia Bauer selbst schon fragen lassen. Wie soll irgendwer die wählen? Wie sollen die den Grünen in Heidelberg ja durchaus mehrheitlich zugewandten jungen Leute eine müde Oma wählen? Chance verpasst, jetzt heißt es wohl weitere acht Jahre OB Würzner.

Umso größer das Erstaunen beim Blick in die montägliche "Rhein-Neckar-Zeitung", wo die CDU-Leute jubelten, als hätten sie die Wahl gewonnen, obwohl sie ja nicht mal einen Kandidaten am Start hatten. Und wo die Grünen zufrieden kommentierten, man habe eine Mehrheit gegen den Amtsinhaber erreicht, weil eben dieser Amtsinhaber die absolute Mehrheit verfehlt habe. Man muss angesichts dieser Zustände schon froh sein, dass wenigstens ein Kandidat der Partei "Die Partei" im Stadtrat sitzt und den konturlosen und gestaltungsaversen Etablierten auf die Finger schauen kann.

Weil das hier aber eigentlich eine Sportkolumne ist und weil ja nun zweifelsohne nicht nur Weihnachten, sondern auch die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar quasi direkt vor der Tür steht, wenden wir uns ebendort hin. Nicht zuletzt, weil auch bei diesem Thema wichtige Entscheidungen anstehen, die da lauten: schauen oder nicht schauen? Dem Team #boykottkatar beitreten oder den Teams auf dem Platz zusehen?

Endlich eine Ausrede für den Weihnachtsmarktbesuch

Viel ist hierzu bereits geschrieben und gesagt worden, etliche Bücher sind veröffentlicht worden. Podiumsdiskussionen, Banner in den Fankurven, Medienberichte, you name it. Aber die kalte, dunkle Jahreszeit steht an, und da kommen mir ein paar ganz pragmatische Erwägungen in den bisherigen Diskussionen zu kurz. Zum Beispiel: Ist es nicht super, dass jetzt mal im Winter WM ist? Endlich kein schlechtes Gewissen mehr, weil wir bei bestem Sommerwetter ständig in verrauchten Kneipen oder im heimischen Wohnzimmer sitzen und Fußball gucken. Ist es nicht viel besser, Fußball zu schauen als diesen ewigen Wintersport, Biathlon hier, Biathlon da, die dünnen Skispringer, die mittlerweile sogar im November noch auf Matten statt auf Schnee springen? Haben manche nicht sogar Formate wie die "Tour de Ski" auf Schalke geglotzt vor lauter Verzweiflung, oder 50-km-Langlaufrennen, die schon früher nur dann zu ertragen waren, wenn Sigi Heinrich und Dirk Thiele auf Eurosport kommentiert haben?

WM im Sommer – statt ins Schwimmbad zu gehen, haben wir große Leinwände aufgebaut zum Rudelgucken, und dann war es draußen so hell und der Beamer so schwach, dass man kaum was gesehen hat. Und jeden Tag musstest Du grillen! Nicht dass gegen eine ordentliche Grillage was zu sagen wäre – aber jeden Tag? Und ist es nicht ganz wunderbar, dass wir heuer endlich eine Ausrede haben, nicht mehr bei nieseliger Nasskälte auf den Weihnachtsmarkt zu müssen und diesen schrecklichen Glühwein zu trinken?

Übrigens: Dass bei uns gerade Winter ist, heißt nicht, dass überall sonst auch Winter ist. In weiten Teilen der Welt ist jetzt Sommer – dort fand die WM also bisher immer im Winter statt. Aber bevor ich hier noch das Fass mit der eurozentristischen Sichtweise aufmache, mach' ich lieber Schluss. Und wünsche eine schöne Winterzeit. Wie auch immer Sie sich entscheiden. Für oder gegen die WM.


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