Als im für den VfB unseligen Jahr 2016 ein gewisser Robin Dutt an der Mercedesstraße für die sportlichen Belange Verantwortung trug, da gab es außer Dutt im ganzen Verein niemanden, der in eben diesen sportlichen Belangen halbwegs auf der Höhe gewesen wäre. So konnte Dutt das clubeigene Scouting teils zu Recht verunglimpfen – und andererseits Spieler und Trainer nach Gutdünken verpflichten, ohne dass zum Beispiel der Aufsichtsrat als Kontrollgremium auch nur eine einzige Telefonnummer im Handy gehabt hätte, die man hätte anrufen und sich eine valide Zweitmeinung einholen können. Nichts gegen Karl Allgöwer, nichts gegen den damaligen Aufsichtsrat Hermann Ohlicher – à jour waren die vielleicht in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, nicht aber 2016. So fanden teils eher fragwürdige Spieler ihren Weg nach Stuttgart, vom Torwart-Titanen Tyton bis zum Torgaranten Kravets. Dass die Spieler gerne auch mal im Alleingang und sogar gegen den expliziten Rat der Scouting-Abteilung geholt wurden, passt ins Bild, genauso wie die Tatsache, dass der Verein bei öffentlich geäußerten Zweifeln am Duttschen Transfergebaren sogar zur einstweiligen Verfügung griff, um Kritiker vergeblich abzumahnen.
Kein Sammer, kein Klinsmann, kein gar nix
Wenig verwunderlich war es da, dass nach dem fast folgerichtigen Abstieg vor allem die mangelnde Sportkompetenz beim VfB als großes Problem identifiziert wurde. Wenig verwunderlich auch, dass etwas später dann eine Personalie wie Matthias Sammer, einst ein Großer beim VfB, mit großen Schwabenaugen beobachtet wurde. Denn Sammer wurde als kritischer Draufschauer und externer Berater vor allem des Geschäftsführers Hans-Joachim Watzke bei Borussia Dortmund verpflichtet, und warum genau haben wir in Stuttgart das nicht hinbekommen? Kein Sammer, kein Klinsmann, kein Hitzfeld, kein gar nix. Erst mit Thomas Hitzlsperger kam dann einer, dem man ausreichende Sportkompetenz und das nötige Netzwerk im Leistungssport zumindest ansatzweise unterstellen konnte. "Hitz der Hammer" ist allerdings längst weg, und außer Sportdirektor Sven Mislintat war schon wieder niemand weit und breit zu sehen, der jemanden hätte anrufen können. Alle Last auf einem Paar Schultern, sollte das nicht unbedingt vermieden werden?
Und dann stellt der VfB auf seiner Mitgliederversammlung etwas überraschend die Weltmeister Philipp Lahm und Sami Khedira als neue externe Berater des Vorstands vor und den langjährigen Kapitän Christian Gentner als zukünftigen "Leiter Lizenzspielerabteilung", und es passiert, was heutzutage wohl passieren muss: höggschde Aufregung in den sozialen Medien. Lahm könne eh nur LinkedIn, heißt es da, Gentner schlägt regelrechter Hass entgegen, er solle doch nur gegen Mislintat in Stellung gebracht werden, er habe schon zu seiner aktiven Zeit nur gegen die jungen Spieler intrigiert etc.
Dass Gentner, deutscher Meister mit dem VfB und mit dem VfL Wolfsburg, jahrelang vollen Einsatz gezeigt hat beim VfB, dass schon Thomas Hitzlsperger vor Jahren gesagt hatte, man wolle und werde Gentner sicher bald wieder in einer offiziellen Funktion beim VfB sehen, dass auch Gentners Bruder lange Jahre im Club tätig war – alles egal. Hauptsache Hass. Dass ein "Leiter Lizenzspielerabteilung" dem Sportdirektor die Transfers diktieren wird, scheint dagegen schon klar zu sein, bevor überhaupt jemand weiß, was Gentner genau machen soll und ob Sportdirektor Mislintat die Personalien allesamt nicht vielleicht sogar ganz okay findet. Dass er dieses Okay bereits öffentlich geäußert hat, scheint erst recht egal. Wir wollen schreien und uns aufregen, und darum schreien wir und regen uns auf. Und über Philipp Lahm reden wir, als sei der ein kleiner Junge. Klein mag er zwar sein – aber es gibt wohl nur wenige Menschen in der Welt des Fußballs, die besser vernetzt sind, die professioneller agieren als Lahm. Was also spricht dagegen, diese drei Vereinslegenden einzubinden? Was spricht gegen kompetente externe Draufschauer, die durchaus auch mal Kritik äußern dürfen? Was genau spricht gegen ein Miteinander sportlicher Experten zum Wohle des großen Ganzen, gerne auch mal mit kritischen Diskussionen?
Endlich bindet der Club echte Experten ein
Ich kann genau nichts Schlechtes an den Personalien erkennen, sondern das exakte Gegenteil, und kann mir auch kaum vorstellen, dass beim VfB jemand etwas dagegen haben könnte. Endlich, endlich bindet der Club die echten Experten ein, von denen er doch haufenweise hat. Und es soll keiner sagen, man hätte nicht mehr als genug sportliche Probleme, die zu lösen umso eher gelingt, je mehr Kompetenz zur Verfügung steht.
Und als ob das mit den sportlichen Problemen noch nicht genug wäre, wird ja auch die Frage des zukünftigen Trikotsponsors eher heute als morgen beantwortet werden müssen. Auch das alles andere als einfach, denn Ankerinvestor Mercedes Benz Group (ehemals Daimler AG) darf trotz ständiger anderslautender Beteuerungen durchaus ein Vetorecht bei derartigen Entscheidungen unterstellt werden, weshalb wohl auch Porsche als eigentlich logischer Nachfolger leider ausfallen wird. Umso bedauerlicher, als dort ja gerade ein Börsengang eingefädelt wird mit dem Ziel, der Familie endlich wieder die Entscheidungsgewalt im Konzern zurückzugeben und sich unabhängig zu machen von doofen Niedersachsen und hergelaufenen Gewerkschaftern. Da wird auf Stammaktienniveau und darüber hinaus in höchstem Maße gefuchst, in Wien ziehen alte Anwälte die Strippen, es ist mindestens filmreif, was da abgeht, was da auch an Geld vorhanden ist. Und so schade, man kann es nicht oft genug sagen. Denn unsere Freunde von Mercedes Benz werden sich auch in Zukunft niemanden vor die eigene Haustür setzen lassen, den sie nicht wollen. Schon gleich dreimal nicht einen anderen Autobauer. Aber vielleicht kann der Alex (Wehrle, VfB-Vorstandsvorsitzender) ja auch in dieser Frage auf das prall gefüllte Notizbuch von Philipp (Lahm, neuer externer Berater des Vorstands beim VfB) zurückgreifen.
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Boris Bogunovic
am 15.09.2022