Natürlich geht es auch in dieser Ausgabe schon wieder um den VfB Stuttgart. Wie sollte man auch vorbeikommen an dem Thema, wenn man für ein Stuttgarter Medium über Sport und Dings kolumniert. Wie sollte man ein Thema ignorieren, das seit dem 14. Mai 2022 um 17.30 Uhr, also seit Abpfiff des letzten Spieltags der Fußball-Bundesliga-Saison 2021/22, den Namen unserer Landeshauptstadt weltweit in die Medien förmlich druckbetankt hat in einer Art, die alle vergangenen G7- und sonstige hier stattgefunden habende Gipfel, die womöglich sogar die Erfindung des Automobils und der Zündkerze zusammen in Sachen Medienecho daherkommen lässt wie lommelige Kurzmeldungen in der Sektion "Vermischtes"?
Hörfunk und TV-Kommentatoren in fast allen Sprachen unseres Planeten gingen vollkommen aus sich heraus, als Wataru Endō in der 92. Minute den Siegtreffer gegen den 1. FC Köln und damit den direkten Klassenerhalt erköpfte. Und in der Tat war und ist es ja doch bemerkenswert, dass mit dem VfB die Mannschaft die Klasse hält, die auch zum Trainer hält und zum Sportchef. Die auch in schweren Zeiten voller Abstiegsangst und der inzwischen schiergar ritualisierten sozialmedialen Hysterie nicht hektisch zur Handbremse greift und personelle wie strategische 180-Grad-Wenden vollführt, um den Wagen dann mit Vollgas in die andere Richtung gegen die Wand zu fahren. Die im Übrigen auch im letzten Spiel der Saison immer den Ball haben wollte, das Spiel machen, das Schicksal selbst in die Hand nehmen wollte – während der direkte Konkurrent um den direkten Klassenerhalt aus Berlin beim Spiel in Dortmund vollends destruktiv agierte bzw. nicht agierte. Dafür waren sie bei Hertha BSC im bisherigen Saisonverlauf umso aktiver gewesen und hatten gleich mehrere Trainerwechsel vorgenommen. Hertha-Sportchef Fredi Bobic durfte keine allzu guten Tage durchlebt haben zuletzt – erst die fantastische Schlussphase bei "seinem" VfB in Stuttgart, und dann auch noch der irre Europapokalsieg "seiner" Eintracht in Sevilla. Sollte Bobic diesen emotionalen Doppelschlag ohne bleibende Schäden am Selbstbewusstsein überstehen, so ist ihm vielleicht nicht das allerfeinste Näschen bei der Trainersuche zu bescheinigen, aber doch eine gewisse Hartleibigkeit im Hirn, immerhin.
Stuttgarter und Freiburger Langfristigkeit
In Stuttgart haben sie den Trainer Matarazzo seit für VfB-Verhältnisse unwirklich lang sich anfühlenden drei Spielzeiten in Amt und Würden gelassen – und ich wage die Prognose, dass sich diese Kontinuität on the long run auszahlen wird. Auch wenn die Fortschritte sich nicht in großen Sätzen manifestieren, sondern eher in Hühnerdepperle. Folglich werden wir in der kommenden Saison nicht mehr ganz so intensiv bis zur allerletzten Sekunde gegen den Abstieg kämpfen müssen, sondern können uns im hinteren Mittelfeld der Tabelle festsetzen, den Blick leicht aufwärts gerichtet. Ausreißer nach oben und unten natürlich jederzeit möglich – denn wer wollte schon mit Sicherheit irgendetwas vorhersagen in der Bundesliga, außer dass der FC Bayern Deutscher Meister wird. Fragen Sie mal nach beim frischgebackenen Pokalsieger der Herzen, dem SC Freiburg. Als die nämlich nach einer Sensations-Saison 2001 international spielten, ging es direkt in der nächsten Saison runter in Liga zwei.
Freiburg ebenfalls gerne genommenes Beispiel für Kontinuität, die sich langfristig auszahlt. Völlig zurecht auch, Trainer und Sportchef arbeiten hier seit vielen Jahren unaufgeregt zusammen, lassen sich nicht vom öffentlichen Wahnsinn zu Entscheidungen treiben, sondern behandeln sich fair und lassen gesunden Menschenverstand walten. Ausnahme: das Thema "gemeinsame Fanutensilien" für das DFB-Pokalfinale gegen Leipzig. Hier wurde offenbar doch auf den großen Druck aus der eigenen Fanszene reagiert, und man gestattete nicht, das Vereinslogo für gemeinsame Schals mit den Rasenballern zu verwenden. Dass das vor Jahren Borussia Dortmund genauso gehandhabt hatte, ging in der irren Öffentlichkeit des Jahres 2022 ein wenig unter, und ob es nun völlig richtig war oder ein bissle albern, das mag jedes selbst entscheiden. Von Animositäten zwischen den beiden Fanlagern rund um das Finale am Samstag war jedenfalls in Berlin nichts zu spüren – denn in der gesamten Stadt waren eigentlich nur die Leute aus Freiburg zu sehen, und die waren trotz teilweise bemerkenswerter Promillebereiche immer ausnehmend friedlich und fröhlich. Von den Leipzigern dagegen keine Spur – die sammelten sich offenbar unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf einem so genannten Fanfest beim Messegelände.
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