Die Grünen dagegen bekannten sich im Wahlprogramm 2021 zum Feminismus als "Kernanliegen unserer Politik". Sie versprachen nicht nur ganz allgemein, Gleichstellung in der Landesregierung verpflichtend zu verankern, sondern sehr konkret hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte, die Chancengleichheit für alle Geschlechter verwirklichen in großen Kreisstädten – eine Idee, die sich im Koalitionsvertrag schon nicht mehr wiederfindet. Nicht besser erging es dem schönen Gedanken, aus dem Internationalen Frauentag am 8. März einen neuen Feiertag zu machen.
Vor allem beklagen die beiden Landessprecherinnen, dass "jeder Anspruch", so Sarah Heim, im Regierungsalltag verloren gehe. Es könne doch nicht sein, dass die Grünen am Ende der Legislaturperiode die Politik in Baden-Württemberg "15 Jahre entscheidend mitbestimmt haben und sich strukturell so wenig getan hat". Wenn die Politik die richtigen Entscheidungen verweigere, sagt Krkoutli, werde sich die Gesellschaft nicht ändern. Gefragt ist insbesondere das Staatsministerium – "das ist eine komplette Blackbox" (Heim) –, weil es in der Führungsebene, mit Ausnahme der ehrenamtlichen Staatsrätin Barbara Bosch, keine einzige Frau mehr gibt. "Früher hätten wir mit den Augen gerollt", sagt die 25-Jährige, "und heute dürfen wir das auf keinen Fall hinnehmen."
Gesagt, getan: Eine elfköpfige Gruppe, darunter die beiden Landessprecherinnen, hat auf 23 Seiten Impulse zusammengetragen, um noch in dieser Legislaturperiode eine "allumfassende, mit konkreten Maßnahmen unterstrichene Strategie" auf die Beine zu stellen. Ein Plan wäre sofort umzusetzen und dazu noch kostenlos: Die Ministerien könnten, dem Vorbild der Stadt Freiburg folgend, die neuen rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um Stellen nur noch in weiblicher Form mit dem Zusatz "(a)" für "alle" auszuschreiben. Die Stadt an der Dreisam sucht gegenwärtig eine Gärtnerin (a), eine Anwendungssystemberaterin (a), mehrere Sachbearbeiterinnen (a), eine Ingenieurin (a), eine Architektin (a) oder eine Nachtkulturbeauftragte.
Bei Strobl gibt es keine Gleichstellungsbeauftragte
"Wer was erreichen willen, muss neue Wege gehen", sagt Aya Krkoutli, "oder auf jeden Fall die alten verlassen." Im Innenministerium von Thomas Strobl gebe es noch nicht einmal eine Gleichstellungsbeauftragte, Gremien seien nur unzureichend paritätisch besetzt und Pflichtweiterbildungen für Führungskräfte unumgänglich, ebenso wie die Sensibilisierung von Polizei, Feuerwehr und Notdiensten. Unter besonderer Beobachtung ist auch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, das seit 2016 und dem Ausscheiden der SPD aus der Landesregierung Frauen nicht einmal mehr im Namen führt.
Überraschung? Nein. Schon 2001 hat die damalige CDU/FDP-Landesregierung eine nicht besonders wirkmächtige Lenkungsgruppe eingesetzt, und eine "geschlechterorientierte Haushaltspolitik" versprochen. In einer Bachelor-Arbeit aus dem Jahr 2010 wird Baden-Württemberg bescheinigt, dass "der breite politische Wille nicht erkennbar ist und eine rechtliche Verpflichtung nicht besteht". Die Arbeit endet mit einem Zitat von Robert Jungk: "Gesellschaftliche Veränderung fängt immer mit Außenseitern an, die spüren, was notwendig ist."
Weil die Grünen aber seit 2011 nicht mehr Außenseiter:innen, sondern an der Macht sind, könnten sie Taten liefern. "Es muss doch unser Anspruch sein, dass unsere Handschrift und unser Verständnis von Gleichstellung überall im Land erkennbar wird", verlangt Heim. Nicht hinzunehmen sei zum Beispiel, ergänzt Aya Krkoutli, wie wenig Geschlechtergerechtigkeit in der Umweltpolitik beachtet werde: "Dabei sind Frauen und Mädchen diejenigen, die weltweit am meisten von der Klimakrise betroffen sind." Gleichzeitig seien sie es aber, die als Klimaaktivistinnen an vorderster Front für eine lebenswerte Zukunft kämpfen.
Expo in Dubai – Teilnahme ausgeschlossen
Die logische Schlussfolgerung: Sie müssen in jeder klima-, umwelt- und energiepolitischen Entscheidung "ganz vorne" mitgedacht werden. Ebenso in der Migrationspolitik, deren Zuständigkeit aus dem Innenministerium in das mit Marion Gentges von einer Frau geführte Justizressort gewandert ist. Der Handlungsbedarf ist für die Landessprecherinnen evident. "Frauen und queere Menschen werden in vielen Ländern angefeindet und politisch verfolgt, und in manchen Regionen, aber auch in Deutschland, sind Mädchen der Gefahr von Genitalverstümmelung ausgesetzt, queeren Menschen droht in elf Ländern die Todesstrafe, und in 69 Ländern werden sie strafrechtlich verfolgt", heißt es in ihrem Papier.
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Peter Nowak
am 30.05.2022