Statt "man" heißt es "dam" und kleine Jungs müssen lernen, einen unbequemen PH, den Penishalter, zu tragen. Uff. Harter Tobak für manche LeserInnen, die so ausdauernd über das Binnen-I stolpern, dass sie den Inhalt eines Textes jammernd aus den Augen verlieren. Da müssen sie durch. "Die Töchter Egalias" jedenfalls ging 1977 weg wie geschnitten Brot und wurden für die norwegische Autorin Gerd Brantenberg und den Verlag Olle & Wolter zu einer Gelddruckmaschine. Die erste Auflage verkaufte sich 150.000 mal. Das ist 45 Jahre her. Heute erzählen Alt-FeministInnen ihren jungen KollegInnen grinsend von ältlichen Herrlein im Egalia-Kosmos, von Berufsbezeichnungen wie Seefrau und zeitungslesenden Frauen, die ihre Männer beim Staubsaugen auf den Po patschen, "damals haben wir gelacht über diese schlichte Rollenumkehr mit Aha-Effekt". Die Anrede Fräulein ist seit 1972 abgeschafft, seit 1977 müssen Frauen ihren Mann nicht mehr um Erlaubnis fragen, wenn sie einen Beruf ergreifen wollen, und Vergewaltigung in der Ehe ist seit 1997 strafbar. Ist das Buch also heute nicht verstaubt? Heute ist doch alles anders.
"Aber nicht besser", sagt René Arnsburg. Die Geschlechterfrage sei schließlich noch längst nicht gelöst, auch er habe heute noch diesen Erkenntniseffekt bei der Lektüre auch und gerade "aus der Perspektive eines linken Mannes". Arnsberg ist 34, arbeitet seit 2016 beim Manifest Verlag, "mein Schwerpunkt ist alles", wie er selber sagt. Der linke Berliner Verlag hat den feministischen Klassiker Ende vergangenen Jahres neu aufgelegt. Die Berliner Sängerin und Autorin Christiane Rösinger hat – ebenfalls 2021 – die feministische Utopie als Musical auf die Bühne gebracht. Ein altes Buch wird neu entdeckt. Und René Arnsburg, der noch nicht lebte, als die Töchter Egalias ihren Siegeszug starteten, hat das Vorwort der Neuauflage geschrieben. Was da alles drinsteckt im Buch der norwegischen Autorin: Klassenunterschiede, Ungerechtigkeit, Unterdrückung. Die satirischen Momente hat er genossen, aber gelacht? Nein, das sei ihm im Hals stecken geblieben, "das ist zu nah dran am eigenen Erleben."
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