Prof. Dr. Frigga Haug ist Feministin und Marxistin. Zeit ihres Lebens hat sie versucht, diese beiden Positionen miteinander zu verweben, Gesellschaftstheorien und -praxis so umzustricken, dass sie vom Frausein gleichermaßen durchdrungen sind wie vom Sozialismus. Im Marxismus-Feminismus, so steht es auf ihrer Homepage, geht es perspektivisch darum, "die Entpatriarchalisierung der Geschlechterverhältnisse mit dem sozialistischen Umbau der Produktionsverhältnisse zu verschmelzen, also gleichsam um eine Revolutionierung der Revolution, die dazu ansetzt, alle Dimensionen und Aspekte des Sozialen zu verändern". Frigga Haug ist klein und kompakt, dabei scheint sie nur aus Denken zu bestehen. Aus einem ständig komplizierte Universen abstrahierenden Geist, der normalen Menschen nach fünf Minuten Muskelkater im Hirn bescheren würde. "Das ist eines meiner großen Probleme", sagt sie, "ich muss immer in Komplexen reden", und lächelt milde.
1937 geboren in Mühlheim an der Ruhr, ist sie im Zweiten Weltkrieg aufgewachsen. Der Vater war begeisterter Soldat, fiel in Stalingrad, die Mutter war Nationalsozialistin und eine von zwei Frauen, mit denen Frigga Haug erst sehr spät in ihrem Leben Frieden schließen konnte.
Bei nahezu allem, was seit den 50er-Jahren zum Widerstand gehörte, war Frigga Haug dabei: 1958 blockierte sie mit der Bewegung gegen atomare Bewaffnung der Bundeswehr den Berliner Kurfürstendamm. Sie hat gegen den Algerienkrieg demonstriert, ist als eine von sieben Frauen dem SDS beigetreten, "weil man als Frau alleine nichts tun konnte". 1959 gründeten sie und ihr Mann in West-Berlin den Argument Verlag und brachten "Das Argument" heraus, eine Zeitschrift intellektueller Kritik, Sprachrohr der Berliner Linken und in den Sechzigerjahren die führende Theoriezeitschrift der Studentenbewegung. Auflage: 24 000 auf ihrem Höhepunkt. Die Zeitung gibt es heute noch. Auflage: rund 1000.
Mit Kind keine gemeinsamen Urlaube mehr
In den Sechzigerjahren wurde sie schwanger. Woran sie sich aus dieser Zeit noch erinnert: Dass ihr Mann gleich nach Geburt des Kindes, und obwohl fortschrittlich und offen für Frauenthemen gleichermaßen, klagte, nun nur noch alleine Skilaufen gehen zu können. Weil die Skisaison außerhalb der Schulferien läge. Die zweite Erinnerung: Ihr Mann habe gearbeitet, sie selbst sei eine immer verbittertere Hausfrau geworden. "Die Mutter in mir konnte ich nicht einmal verdammen, weil sie in einer Frau angelegt ist und ausbricht, wenn man ein Kind bekommt", sagt sie. Sie schüttelt den Kopf, wie fassungslos über sich selbst. "Wie wichtig doch so eine Windel sein kann."
Sie wurde Feministin, als man ihr wegen des Kindes eine Stelle an der Universität verweigerte, erzählt sie. Damals habe sie angefangen Marx zu lesen, Engels, Bebel, Zetkin, saß im Aktionsrat zur Befreiung der Frauen, war als Sozialistin in der Arbeiterbewegung und zog später mit Frauengruppen durch die Schulen, um den Mädchen beizubringen, "dass sie bloß nicht alle Frisöse werden sollen."
Ende der Siebzigerjahre initiierte sie mit Wolfgang Haug die VolksUni Berlin, ein Lernfest, ein Mal im Jahr, zu dem Kirchen, Homosexuelle, Migranten und Gewerkschafter gemeinsam Ideen und neue Gesellschaftsentwürfe diskutierten. Zur ersten Veranstaltung, sagt Frigga Haug, habe sie sogar Spätzle gekocht.
Anfang der Achtzigerjahre gründete sie für "Das Argument" eine eigene Frauenredaktion, die bis heute – bei vier Heften pro Jahr – ein Themenheft macht, um einen Überblick über den Stand der feministischen Debatten zu geben. Die Redaktion verlor über die Jahre immer mehr ihrer Autorinnen an Karrieren, Familien und die Zeit. "Es gab einen Bruch in meinem Arbeiten, als ich feststellte, dass die nächste Generation gar nichts mehr wissen wollte. Was wir bekämpft haben, ist fort, klassische Hausfrauen wie früher gibt es ja nicht mehr", sagt sie. "Na ja, außer in Schwaben." Ein Lächeln. Aber eher kein amüsiertes.
1996 entstand unter Wolfgang Haug das <link http: inkrit.de neuinkrit index.php de hkwm _blank external-link>"Berliner Institut für kritische Theorie", einst Lehrstuhl an der Freien Uni Berlin, heute Denkerwerkstatt. Frigga Haug ist die erste Vorsitzende. Das Inkrit, so wird das Institut genannt, ist Herausgeber des "Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus", eines Lexikons, das Worte mit marxistischem Blick archiviert. Auch dort hat Haug eine Frauensektion initiiert, die am Wörterbuch mitschreibt: Band 1: Abtreibung bis Hexe, Band 2: Hierarchie/Antihierarchie bis Köchin, Band 3: Kollektiv bis Liebe.
Mutter und Tochter waren ihr lange fremd
Ihr Leben lang hat sie sich für Frauen eingesetzt. Nur zu den beiden Frauen, die ihr selbst am nächsten stehen, hat Frigga Haug erst in jüngerer Zeit einen guten Weg gefunden. Die Mutter, Zeit ihres Lebens überzeugte Nationalsozialistin, saß noch in hohem Alter zu Vorträgen ihrer Tochter in der ersten Reihe, selbst im Ausland. "So sehr seien wir nicht entfernt voneinander. Auch im Nationalsozialismus habe ja viel Sozialismus gesteckt", zitiert Tochter Frigga die Mutter.
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