Es gibt AugenöffnerInnen. Versandhäuser wie "Grüne Erde" zum Beispiel, die kompromisslos ressourcenschonende, energieeffiziente und in ArbeitnehmerInnen-mitbestimmten Arbeitszeiten produzierte Ware anbieten. Da kostet der Schrank von 5000 Euro aufwärts: Unleistbar für viele und zugleich von unbestechlicher Transparenz für jedeN. Weil Preise wie dieser aufzeigen, dass sich die Gesellschaft die Billigware, die sie sich leistet, gar nicht leisten kann. Jedenfalls dann, wenn selbstbestimmte, ökologische und sozial gerechte Maßstäbe angelegt werden. Oder es gibt Agenturen wie "atmosfair": KeineR muss auf die ein Leben lang erträumte Fernreise verzichten, aber alle müss(t)en wissen, dass allein ein Langstreckenflug das Klima mit dem Zwei- oder Dreifachen der jährlichen CO2-Emission eines deutschen Mittelklassewagens belastet. Und die Augenöffnerinnen von "an.schläge"? Sie führen in eine Welt ohne Malestream, eine Welt, um die Frauen auch und gerade in hochentwickelte Gesellschaften Tag für Tag kämpfen müssen und für die sich die allermeisten Männer weiterhin nicht interessieren.
Das Team ist weiblich und damit, wie die Leitende Redakteurin Lea Susemichel weiß, "Ausdruck "der Endlosschleife". Vieles sei erreicht, aber an der grundsätzlichen Schieflage bezüglich der Positionen und der Sichtbarkeit von Frauen habe sich nichts geändert. Leserinnen und (hoffentlich!) Leser halten die Auflage des Magazins stabil bei 5000 Exemplaren. Es gibt rund 2000 AbonnentInnen. Klassische Frauenthemen treten in den Hintergrund. "Stattdessen betrachten wir unterschiedlichste gesellschaftliche, kulturelle und politische Phänomene", sagt die 39-Jährige, "das ist unser Auftrag." Von der Share Economy bis zum Trend, vegan zu leben, von falschen Schwerpunkten in der Steuerpolitik bis zu den "üblen Geschlechterklischees in der Esoterik", von TTIP ("Es geht einfach um alles") bis zu – hochaktuell und bereits im vergangenen Mai anlässlich der Europawahl breit behandelt – der Asylpolitik der EU.
Die Macherinnen verstehen ihr Produkt als Nachrichtenmagazin, "mit breitmöglichstem Spektrum". Schon der Titel eröffnete Spielraum. "an.schläge", da mögen mehr als nur manche Männer oder Frauen aus der Igitt-natürlich-bin-ich-keine-Emanze-Fraktion zuerst an Übergriffe denken, an ein Komplott oder ein Attentat. Anschlagen kann frau aber auch Plakate, Glocken, Akkorde, Strickmaschen, ein Tempo, Tasten, eine Gangart und ebenjene konsequenten Töne. Einzelne Rubriken folgen demselben Muster, an.lesen, an.künden, an.sehen, an.riss, an.spruch, an.klang. Für Geschlechterneutralität sorgt der Unterstich, in der Lingustik so treffend als Gender-Gap bezeichnet.
Der Strich hat es im Alltag des Malestreams genauso schwer wie das Sternchen und erst recht das x, mit dem es die <link http: feministisch-sprachhandeln.org ag-feministisch-sprachhandeln _blank>"Arbeitsgruppe Feministisch Sprachhandeln" der HU Berlin im vergangenen Frühjahr bis in die Zeitung mit den ganz großen Buchstaben und ohne jede Geschlechtersensibilität geschafft hat. "Die x-Form berücksichtigt Leute", erläuterte Mitautox Lann Hornscheidt damals im taz-Interview, "die sich gar nicht zu Frausein und Mannsein verhalten möchten." Häme und Hetze folgten auf dem Fuße. "Wer denkt sich so was aus?", wollte "Bild" wissen und lieferte den "kleinen Trost" gleich mit, dass die Unileitung eine Umsetzung nicht plane.
Da ist Österreich schon weiter. Gerade kocht eine Diskussion über die seit 2012 geltende Vorschrift hoch, nach der nur noch gegenderte Schulbücher zur Verwendung im Unterricht zugelassen werden. Wer promoviert, kann Doktor oder Doktrix werden. Vor allem aber leistete sich das Land die Aufnahme der Töchter in die Bundeshymne und eine breite Debatte, ob das Binnen-I zur – DIN vergleichbaren – ÖNORM werden soll. Auch angesichts der Tatsache, dass diese Form der geschlechtsneutralen Sprache schon offizielle Formulare oder Hinweisschilder erobert hat.
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