Offenbar braucht die Menschheit immer einen definierten Tag, um sich koordiniert lieb zu haben. Wenn ich jedoch daran denke, wie ich Weihnachten 1994 eine singende Meerjungfrau statt des heiß ersehnten Barbie-Pferdes (mit Pferdegeräusche imitierendem Sattel!) in meinen aus Wut verkrampften Fingern hielt, hält es sich mit der Nächstenliebe selbst am 24. Dezember in Grenzen. Das Barbie-Pferd bekam übrigens meine Schwester geschenkt, wofür ich sie heute manchmal noch hasse.
Aber das können wir ja am Weltfrauentag verhandeln, denn Nächstenliebe und der Wunsch nach der globalen Zärtlichkeit der Völker und Geschlechter erscheint ohne speziellen Aktions- oder Feiertag als Ding der Unmöglichkeit. Aus diesem Grund muss am 8. März nun auch daran erinnert werden, dass Frauen total super sind. Traditionell geht dieser Tag mit massenhafter Kritik von feministischer Seite einher, die im Chor betont, dass der Weltfrauentag scheinheilig sei, da selbst nach über 100 Jahren Weltfrauentag noch längst nicht von der Gleichberechtigung der Geschlechter gesprochen werden könne.
Das Auto zum Weltfrauentag – würgt sich an der Ampel selbst ab
Dabei gibt es am Weltfrauentag doch immer so tolle Angebote speziell für Frauen! Am Frauentag 2011 warb ein Autoverleiher zum Beispiel für einen 1er BMW als Mietwagen mit dem Spruch: "Unser Auto zum Weltfrauentag: Das Auto, das sich an der Ampel selbst abwürgt." Auch dieses Jahr darf frau sich ganz besonders auf ihren Ehrentag freuen, denn was machen Frauen am liebsten? Einkaufen, richtig. Darum gibt es zur Feier des Tages den "Woman's Day Sale" – ein Internet-Einkaufs-Event der Black Friday GmbH, bei dem Frauen ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen und zu reduzierten Preisen endlos shoppen können. Motto: "Du sollst mehr Schuhe als alle deine Freundinnen besitzen." Kreisch! Ist das nicht toll?
Noch toller ist die geplante Aktion von Hartmut Holzhey, dem Landrat von Saalfeld-Rudolstadt (Thüringen), der seinen Mitarbeiterinnen am Weltfrauentag einen halben Tag freigeben will. Klitzekleines Manko: Gegenfinanzieren will er den bezahlten freien Nachmittag mit der Einsparung der Gleichstellungsbeauftragten im Haus. Eine gemeinsame Gleichstellungsbeauftragte für Sparkasse, Klinik, Amt und Co. wird ja wohl auch reichen, da geht laut Holzhey nämlich eh niemand hin.
So lustig sich diese Aktionen erzählen lassen, so negativ ist das Ergebnis für Frauen und Gleichberechtigung im Alltag. Denn wenn frau die gönnerhaften Präsente nicht dankend annimmt, sondern sich darüber aufregt, kann sie ja nur eine Emanzenzicke sein, der Mann es eh nie recht machen kann. Doch scheinbar müssen Gleichberechtigung und dümmliche Geschlechterklischees auf unterschiedlichen Schlachtfeldern ausgetragen werden. Denn wenn Klischees herangezogen werden, um Gleichberechtigung einzufordern, beißen sich alle Katzen und Kater selbst in den Schwanz und zementieren die Ungleichberechtigung der Geschlechter für alle Zeit im Betonsarg der scheinbaren Naturalismen.
Blankziehen ist kein revolutionärer Akt
Wenn an einem Tag im Jahr, am sogenannten Girl's Day, in diversen Unternehmen und Universitäten speziell Mädchen und Frauen dazu motiviert werden sollen, technische und naturwissenschaftliche Berufe zu ergreifen, dann frage ich mich, weshalb das Plakat dazu aussieht wie die Einladung zu einer Barbie-Tauschbörse? Wenn in Stuttgart im April der "Play!Girls" – Porsche Tennis Grand Prix ausgetragen wird, frage ich mich auch, weshalb das Plakat mit einem neon-pinkfarbenen Tennisball für "Girls" wirbt, die in Wirklichkeit erwachsene Frauen und Profisportlerinnen sind. Ein äquivalentes "Play!Boys"-Turnier wäre undenkbar – oder ist Roger Federer etwa ein "Boy"?
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Böser Maskulist
am 11.03.2014