Trotz der nicht eben berauschenden Lage dachten die eingeladenen Frauen nicht im Traum an Klagen und diskutierten leidenschaftlich und klug mit uns Kontextfrauen über Sexismus, die Angst der Männer und die Feigheit der Frauen. Über Diversivität und darüber, ob Frauen die besseren Chefs oder gar Menschen sind oder ob die Quote etwas ändert und ob die Welt Maskulisten braucht. Ganz ohne Gejammer, dafür mit viel Selbstironie, Gelächter und vielen offenen Fragen.
Klar, dass dabei auch Prosecco getrunken wurde - ein paar Klischees wollen wir schon bedienen.
Nicht alle, die wir gerne dabei gehabt hätten, konnten kommen. Der Illustratorin Friederike Groß etwa wurde von der Stuttgarter Zeitung beschieden, dass Kontext Konkurrenz sei und eine Mitarbeit in der dortigen Frauenredaktion nicht gerne gesehen werde. Nun wissen wir endlich, wie wichtig wir sind.
Unsere Gast-Redakteurinnen haben sich Zeit genommen. Petra von Olschowski, Rektorin der Kunstakademie, Sibylle Thelen, Abteilungsleiterin bei der Landeszentrale für politische Bildung, die "Stern"-Reporterin Ingrid Eißele und die Wissenschaftlerin Annette Ohme-Reinicke. Warum sie mitgemacht haben? Hier ihre Antworten:
"Na, aus Neugier. Weil ich mehr Fragen als fertige Antworten habe: Was passiert gerade in unserer Gesellschaft, welche Chancen haben Frauen, vor allem die jungen Frauen? Gibt es ein Gemeinschaftsgefühl unter Frauen und trägt das auch dann noch, wenn Frauen in Führungspositionen kommen? Oder kommt es gar nicht so sehr auf Schwesternsolidarität an, sondern nur auf Vernunft und Pragmatismus aller, Männer und Frauen, weil Frauen schlichtweg gebraucht werden? Und welche Regeln geben sie sich dann, damit sie am Ende zufrieden sind mit sich selbst? Dafür brauchen wir noch ein paar Diskussionsrunden mehr." Ingrid Eißele
"Es kann nichts schaden, den Artikel 3 des Grundgesetzes wieder und wieder im vollen Wortlaut zu studieren: Klartext in allen drei Absätzen, und doch stellen sich Fragen angesichts der herrschenden Wirklichkeit. Wie steht es um die Gleichberechtigung der Geschlechter? Und, ganz grundsätzlich, wie geht eine Gesellschaft, die sich ihrer Vielfalt bewusster wird, mit Unterschieden um? Die Journalistinnen von Kontext setzen solche und andere Fragen in Recherchen um. Ihren Diskussionsprozess zu begleiten, war eine schöne Aufgabe. Ich habe mich gerne daran beteiligt." Sibylle Thelen
"Weil ich immer noch Antworten auf Fragen suche, wie: Warum liegt der Anteil der Studentinnen an einer Hochschule wie der Stuttgarter Kunstakademie bei 65 Prozent, der der Professorinnen aber nur bei 15 Prozent? Wo bleiben die gut ausgebildeten Frauen nach dem Studium? Warum erobern Frauen mehr und mehr die politische Bühne, ohne dass sich die Lebensrealität von Frauen weltweit verbessert? Und warum stellen wir immer noch dieselben Fragen wie vor 45 Jahren? Bleibt wirklich nur zu hoffen, dass es die jungen Frauen besser machen?" Petra von Olschowski
"Weil wir spätestens seit der Französischen Revolution zwar wissen, dass Diskriminierung weder gottgegeben noch naturgewollt ist, wir aber nicht danach handeln. Gleiche Rechte für Männer und Frauen sind heute in vielen Staaten zwar gesetzlich festgeschrieben, aber noch längst nicht durchgesetzt. Wer sollte sie durchsetzen, wenn nicht Frauen? Und wie könnte das gelingen, ohne eine kritische Öffentlichkeit? Dazu brauchen wir kritische Medien, die die Sache problematisieren. Schließlich ist die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen eine Bedingung der Freiheit." Annette Ohme-Reinicke
Ein Samstag war zu kurz, um alle Fragen zu diskutieren. Eine Ausgabe ist zu klein, um die vielen Ideen umzusetzen, die in der Frauenredaktion geboren wurden. Aber vieles steht in dieser Ausgabe drin.
Brauchen fähige Frauen eine Quote so sehr wie der Walfisch eine Kapuze? Die Antwort erfahren Sie im Interview mit der Ex-Taz-Chefredakteurin und Publizistin Bascha Mika. Was ein Geschirrspüler mit der Gehirnforschung zu tun hat, eine Bäuerin im Schwarzwald mit der EU und warum Männer in Havanna oder auf den Fildern Frauen kaufen - das ist in dieser Frauenausgabe zu erfahren. Und noch manches mehr.
Und am 19. November lehnen wir uns zurück. Warum? Weil das der Internationale Männertag ist. Da müssen die Jungs mal alleine ran. Es ist höchste Zeit für eine Männerbewegung. Wie sagt Bascha Mika so schön? "Männer kommen mir vor wie ein Einsiedlerkrebs, der sich in sein Schneckenhaus zurückzieht und hofft, dass die Welle der Frauenbewegung über ihn hinweg schwappt und die Welt danach wieder aussieht wie vorher." Doch die Welt verändert sich. Bewegung, Männer.
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