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WM in Katar

Frauen, macht es besser!

WM in Katar: Frauen, macht es besser!
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Das Ausscheiden der deutschen Fußballer bei der WM in Katar ist ein Jammer. Unser Kolumnist regt sich auf.

Dass wir nicht nur bei den Auslosungen zu großen Fußballevents, sondern ganz generell nicht mehr im Topf 1 sind, das ist ja nun bereits seit längerer Zeit nicht mehr zu bestreiten. Und es ist auch ganz unabhängig davon zu sehen, dass jedes hierzulande natürlich und ganz ohne Zweifel das Recht haben sollte zu entscheiden, ob es lieber einen Zipfel haben will oder eine Mupf, ob es männlich, divers, nonbinär – wie auch immer – konnotiert werden will. Dass keines wegen Geschlechts oder Herkunft oder Hautfarbe oder Aussehen oder Religion oder sexueller Orientierung oder sonst irgendwas diskriminiert werden sollte. Dieses auch anderswo einzufordern ist durchaus ehrenhaft – vor allem dann, wenn man daheim den Rücken frei hat. Und wenn man die Dinge nicht nur anspricht, sondern sich dann auch entsprechend verhält. Bei uns sieht das so aus, dass im einen Bild der Minister in Katar für Öl und/oder Flüssiggas den Bückling und im anderen Bild die Ministerin mit One-Love-Binde am nackten Arm den Affen macht. Die Äffin. Dass der DFB-Präsident vor dem Turnier vollmundige Ankündigungen macht und rechtzeitig vor dem ersten Spiel einknickt. Dass die Spieler in die Verantwortung genommen werden (und sich dieses gefallen lassen), obwohl sie gar nicht wollen.

Die Medien und mit an vorderster Front unser alter VfB-Heiliger Thomas Hitzlsperger haben sich da ziemlich vergaloppiert. Hitz hatte im Gegensatz zu etlichen anderen wenigstens den Anstand, nach dem Spiel Argentiniens gegen Australien einzuräumen, dass der Schuss gewaltig nach hinten losgegangen sei. Auch andere rudern zurück und sagen mittlerweile, es habe "zu viele andere Themen im Vorfeld" gegeben. Als hätten sie nicht höchstselbst diese Themen aufgefächert, verstärkt und überallhin getragen. Vor den Bus werfen wir jetzt Bierhoff. Und Raphael Brinkert, den Werber mit den guten Fußballkontakten, der erst für Angela Merkel, dann für Olaf Scholz den Kanzlerwahlkampf gemacht und angeblich im Auftrag des DFB die Sache mit der Hand vor dem Mund erfunden hat.

Rein sportlich, also abseits aller atmosphärischen Störungen im Team, ist der Mannschaft und dem Trainer vorzuwerfen, im ersten Spiel gegen Japan nicht voll durchgezogen zu haben. Falsch gewechselt zu haben auch. Und im letzten Spiel gegen Costa Rica, warum haben die nach furiosen fünf Minuten aufgehört zu spielen? Warum nicht nachlegen, 3:0 zur Pause – ob die Spanier dann genauso lahm weitergekickt hätten in ihrem letzten Gruppenspiel gegen Japan?

Verkickt nochmal: Lose-Lose-Strategie führt ins Aus

Dass wir uns aber nicht nur fußballerisch, sondern auch und vor allem neben dem Platz derart zum Affen machen, das habe ich selbst in den pessimistischsten Phasen nicht für möglich gehalten. Das Gewese um die Binde, dieses komplett alberne und noch dazu weder inhaltlich noch optisch konkret ansprechende Thema vollmundig ankündigen, es aber – ganz Revoluzzer – nicht vor Turnierbeginn offiziell anmelden und dann beim kleinsten und obendrein klar zu erwartenden Gegenwind derart einknicken. Das Wetteifern hierzulande, wer den meisten aktionistischen Gratis-Mut demonstrieren kann, was die Spieler sagen und machen sollten, wie der WM-Gastgeber und eigentlich gleich die ganze arabische Welt sich zu verhalten habe, was sie zu denken und zu tun habe – dabei komplett verkennend oder ignorierend, dass weite Teile der Welt uns Deutsche immer noch in erster Linie doof und überheblich finden. Dieses jetzt halt nicht mehr nur in braunen, sondern auch in schwarzen, gelben, roten und grünen Köpfen sitzende "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen" – es ist wirklich kaum auszuhalten.

Und natürlich sind die unsouverän agierenden Spieler, alles erwachsene und weitgereiste Männer, da auch keine Ausnahme. Warum nicht vor dem Turnier Botschaften senden, Symbole präsentieren – aber mit Beginn des Fußballs alle Fragen zur Binde weglächeln mit dem gebetsmühlenhaften Hinweis, man freue sich auf das nächste Spiel und sei in bester Verfassung? Warum nicht klar sagen, dass "wir" natürlich für die Einhaltung der Menschenrechte sind, für LGBTQ und Diversity und Gleichberechtigung, aber dass wir jetzt in Katar sind, um ein gutes Turnier zu spielen? Warum lässt sich die Mannschaft von ihren vorgesetzten DFB-Nasen und Werbemenschen, von uns depperten Artikelschreibern und Social Media-Postern vor sich her treiben? Und warum zum Teufel schicken die der Truppe ein Amazon-Kamerateam mit in die Kabine, das eine sechsteilige Doku drehen soll? Warum lässt Bundestrainer Hansi Flick das schon wieder mit sich machen – schon beim FC Bayern einst war eine solche Doku mitverantwortlich für seine dauernd schlechte Laune und schlussendlich seine Kündigung. Wir sind wirklich die Dümmsten.

Und es soll mir niemand jetzt mit Arsene Wenger kommen, der sich von der FIFA teuer bezahlen lässt, um zu sagen, wir seien ausgeschieden, weil wir uns zu viel um "politische Demonstrationen" und zu wenig um Fußball gekümmert hätten. Denn abgesehen davon, dass das Eintreten für Menschenrechte keine "politische Demonstration" ist – wir hätten das eine wie das andere tun können und beides sogar richtig. Am Ende haben wir aber weder das eine, noch das andere richtig gemacht, quasi Lose-Lose-Situation statt Win-Win-Strategie. Das ist eine deutsche Spezialität, ist es nicht?

Volten allꞌitaliana und ein Infantino mit Haaren

Wenigstens können die Jungs sich jetzt richtig lange regenerieren. Und wenn wir nach Italien schauen, die sind nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2006 zweimal in Folge in der Vorrunde raus und dann zweimal gar nicht erst hin, weil in der Qualifikation gescheitert. Und sind amtierender Europameister ...

So schade das Aus unserer eigentlich so starken Mannschaft ist: Diese WM wurde in keinem anderen Land so zerlegt wie in Deutschland. Während von Spielern politische Statements gefordert werden, wird aus dem Büro Habeck just in der vergangenen Woche der Flüssiggas-Deal mit Katar bekannt gegeben. Das ist doch irre, und es wird jedes Mal, jeden Tag noch irrer, wenn in ARD und ZDF zu Beginn und zum Ende aller WM-Berichte das "presented by Emirates" erscheint. Gleichzeitig ignorieren wir, dass sich hierzulande der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) auf seinem Parteitag am 3. Dezember einen Freibrief dafür ausgestellt hat, auch zukünftig munter mitzuintrigieren im intransparenten quasistaatlichen Verbandssystem der olympischen Familie mit Oberboss Thomas Bach, dem Infantino mit Haaren. Dieses Thema ist aber wohl zu unsexy für die Herren Hitzlsperger, Breyer und Co – da gibt es nicht so emotionale Bilder, da sind die Klicks nicht garantiert.

Zum Glück konnte im vergangenen Sommer die Fußball-Europameisterschaft der Frauen ohne all diese Nebengeräusche stattfinden. Für eine saubere Zukunft sollten die Frauen ihre Bundesliga unbedingt unabhängig vom DFB veranstalten.


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1 Kommentar verfügbar

  • Stefanie
    am 07.12.2022
    Antworten
    Klingt alles nach nem wenig zielführenden Monolog wie man ihm früher an der Theke im der Eckkneipe kannte... Muss man das denn alles wirklich aufschreiben?
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