Argentinien ist Weltmeister, Messi (Paris St. Germain) vs Mbappé (Paris St. Germain) im möglicherweise besten Finale aller Zeiten und Menschen, die größten Spieler der Welt des größten Katar-Clubs, das passt ja wie die Faust aufs Auge. Doof nur, dass mit Marokko ausgerechnet ein Team mit tollem Fußball bis ins Halbfinale vorstoßen konnte, in dem "normale" Araber kicken. Also solche, die fast so aussehen wie wir. Nix Turban, nix Scheich, nix Bademantel, weder auf dem Platz noch auf der Tribüne. Der Marokkaner an sich fährt Auto, er lässt sogar seine Frau fahren, er feiert, zündet manchmal halb Paris an – aber er lässt sich eben nicht mit einem Eselskarren auf dem Tahrir-Platz in Verbindung bringen oder mit blütenweißen Gewändern und goldener Ölquelle. Selbst als Haschischzüchter oder Maultiertreiber lässt er sich nicht kategorisieren. Ja was machen wir denn da, wen kritisieren oder boykottieren wir denn jetzt, und wo bleibt bitteschön die Wertepolizei?
Nun, wir suchen unser Seelenheil beim VfB Stuttgart, der nicht nur mit den Beinen Probleme hat, sondern auch mit den Steinen. Beine heißt: Die Bundesligamannschaft der Herren kickt gegen den Abstieg und kostet trotzdem einen Haufen Geld, deutlich mehr als einige der weit besser platzierten Teams. Und Steine heißt: Das Stadion, in dem der für das viele Geld viel zu schlechte Kader kickt, wurde 1993 zur legendären Leichtathletik-WM mit dem vielbeachteten Membrandach ausgestattet, 2011 in ein reines Fußballstadion verwandelt und wird aktuell schon wieder umgebaut bzw. fit gemacht für die 2024 in Deutschland stattfindende Fußball-Europameisterschaft der Männer, die EURO 2024. Allein für diesen letzten Umbau betragen die Kosten schätzungsweise 100 bis 130 Millionen Euro – und wenn man die zu den insgesamt weit über 200 Millionen addiert, die die Maßnahmen 1993 und 2011 gekostet haben, dann könnte man durchaus zu der Erkenntnis gelangen, dass andere Leute für dieses Geld gleich mehrere moderne Stadien hinstellen könnten, hingestellt haben. Man hätte für dieses Geld zum Beispiel die Arena auf Schalke und direkt daneben das neue Stadion des SC Freiburg bauen können.
Lieber 974 Stadion-Container aus Katar?
Übrigens: Diese beiden Stadien gehören jeweils "ihren" Clubs, während der VfB Stuttgart Jahr für Jahr geschätzte sechs Millionen Euro an Pacht bezahlt dafür, dass er in "seinem" Stadion spielen darf. Hochgerechnet auf 30 Jahre sind das nochmal 180 Millionen. Ja Hagel und Granaten, da scheinen echte Experten am Werk zu sein. Vielleicht sollte man denen vorschlagen, den ganzen Umbaukostenirrsinn mit der Mercedes-Benz-Arena einfach sein zu lassen und stattdessen die 974 Container des Stadions "974" aus Katar zu kaufen, das ja nun abgebaut und sonstwohin verschifft wird, auf dass irgendeine Mannschaft darin künftig ihre Spiele austrage. Dann hätte der VfB ca. 130 Millionen über, um eine wahrhaft wettbewerbsfähige Mannschaft hinzustellen, notfalls gerne mit alten Säcken. Trainer Bruno Labbadia, den sie den "schönen Bruno" nennen und natürlich mit einem Vertrag gleich über mehrere Spielzeiten ausstatten mussten, könnte sich als Entdecker bzw. vielleicht sogar Erwecker des dritten Frühlings bei Cristiano Ronaldo aka "CR7" feiern lassen, das wäre ja wohl ein Ding. Lieber Frank Nopper, Herr Oberbürgermeister, bitte einmal Chefsache, womöglich passt der neue Bahnhof grad’ noch drunter.
Aber Schluss jetzt mit dem Unfug, flugs zurück zu den richtig großen Fragen, zuvorderst: Wo beißt Philipp Lahm zu, Vorstandsberater des VfB Stuttgart und Turnierdirektor der EURO 2024? Welchen Posten nimmt er sich nach der EM 2024? Überall taucht er auf, international wohlgelitten, keine DFB-Task-Force ohne den kleinen Mann zumindest in irgendeiner Arbeitsgruppe, mit Gesundheitsminister Lauterbach im Bundestag, mit den VfB-Chefs auf der Pressekonferenz, you name it! In diesem Zusammenhang möchte ich direkt auch eine Reform der Rechtschreibreform mit Schmackes anregen oder den Vornamen Philipp in all seinen Phacetten gleich ganz abschaffen, damit dieses leidige Gegoogle bei jeder neuen Namensnennung endlich ein Ende hat. Der eine Phillip mit einem P und zwei L, der andere zwei L, ein P und dann noch die mit Doppel-L und Doppel-P, herrje.
Stichwort DFB: Da ist es ja nun ganz im Ernst so, dass überall nur noch Pfeifen herumschwirren, seit der Kaiser, seit Franz der Große Beckenbauer nicht mehr seine schützende Hand über den Laden halten darf. Also quasi seit Bekanntwerden der ersten Vorwürfe im Oktober 2015. Schon sind Stimmen zu vernehmen, die da sagen, Bierhoff habe wenigstens noch Schlimmeres, noch größere Pfeifen verhindert in den letzten Jahren seiner Amtszeit. Jemand anderer Meinung? Und grade wenn jetzt eines sagen wollte, ja aber man sei doch in der Pflicht, echte Reformen herbeizuführen, vom schönen Deutschland aus die Welt a better place zu machen: Gerade dann stellt unser Präsident (wer weiß den Namen auswendig? Der mit der Beule auf der Stirn) die Brille hoch und sagt bei "Magenta TV", man könne sich ja schon vorstellen, Infantino zu wählen – man habe ihn nun zunächst mal nicht nominiert, das sei schon ein starkes kritisches Signal gewesen, aber wenn er sich erkläre und darlege usw., dann könne man ihn ja schon wählen.
Als ob wir irgendwen nominieren, als ob das unser Recht, unsere Aufgabe wäre, irgendwen zu nominieren, und als ob wir irgendwas anderes könnten, als genau so weiterzumachen wie bisher. Keinen neuen Gedanken zulassen, keine frischen Gesichter reinbringen, die gleichen Nasen wie immer schmoren weiter im immer gleichen Saft, und Aki Watzke mit dem Kochlöffel rührt die Brühe um, Durchschnittsalter 58. Kein Jüngerer, kein Andersdenkender, kein Außenstehender, keine Frau, muss ja auch nicht, auf unserem Flieger nach Katar stand ja "Diversity" in großen Buchstaben, reicht doch. Wir sind wirklich sehr peinlich.
Lieber Pinkel-Challenge als Binden-Stunt
Das waren noch Zeiten, als MV (für die Jüngeren: Gerhard Mayer-Vorfelder) mit Havelange auf dem Klo den kräftigen Strahl kreuzte. Man muss ihn ja nicht mögen, aber Klinsmann mit seinen Muskeltrainingsbändern und Buddhas und amerikanischen Fitnesstrainern hat er beim DFB gegen alle Widerstände durchgesetzt. Man stelle sich ähnliches mal mit Herrn Neuendorf vor. Wenn der bei der FIFA reinkommt und die Brille hochschiebt, dann will man gar nicht wissen, was die anderen denken. Ob die ihn überhaupt wahrnehmen? Oder wie der Investigativ-Sportjournalist Jens Weinreich sagte: Noch der kleinste FIFA-Hinterbänkler verspeist den.
Zum Glück ist bald Weihnachten, Zeit der Ruhe, in der kein Brinkert Binden-Stunts erfindet und kein Neuendorf den Realsatire-Revoluzzer gibt. Ein paar Tage, in denen sogar die Medien und sozialen Netzwerke sich ein wenig entspannen, in denen wir alle hoffentlich viel zu essen haben und unsere Lieben um uns rum. Das sind Tage, die gut tun, bevor im neuen Jahr alles genau so weitergeht wie bisher. Dann regen wir uns wieder auf.
Ich wünsche allen schöne Feiertage. Bleiben Sie gesund, bleiben Sie mir gewogen.
1 Kommentar verfügbar
Hans Winkler
am 21.12.2022Gerne sich auch mal über Pegasus informieren.
Laut Reporter ohne Grenzen schlechtere Pressefreiheit als Katar.