Am Ende muss doch noch die Flex raus. Funken fliegen, kreischende Geräusche, dann ist die letzte Stange gelöst, eine, die besonders hartnäckig war.
Vergangenen Samstag in den frühen Morgenstunden hat sich eine Gruppe von Aktivist:innen vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof in der Lautenschlagerstraße versammelt. Ihr Ziel ist ein Gebäude, das noch der Schriftzug von Bankhaus Bauer ziert, doch aktuell stehen die Räumlichkeiten ungenutzt leer. Der Vermögensverwalter ist umgezogen, hat den neuen Standort im November mit einem "hervorragenden kulturellen Programm" und "kulinarischen Leckerbissen" feierlich eingeweiht und betont in der Selbstbeschreibung "die Unternehmenswerte des vertraulichen Miteinanders".
Da darf natürlich niemand stören. Vor den raumhohen Fenstern der verlassenen Filiale gibt es zur Straße hin drei Betonflächen, auf die sich Menschen setzen oder legen könnten – wenn da nicht 60 Stahlwinkel angebracht wären, um genau das zu verhindern. Für diese Art der Gestaltung hat sich der euphemistische Begriff der defensiven Architektur eingebürgert, der im englischsprachigen Raum ursprünglich für bauliche Abwehrmaßnahmen an Befestigungsanlagen reserviert war. Inzwischen ist der Gebrauch großzügiger: Insbesondere fallen darunter architektonische Anstrengungen, den öffentlichen Raum so ungemütlich wie nur möglich herzurichten, damit die Bessergestellten nicht durch die Präsenz von Obdachlosen belästigt werden. Als alternative Bezeichnungen kursieren auch die treffenderen Begriffe feindselige Architektur oder auch Anti-Obdachlosen-Architektur.
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Alfred
am 23.12.2022