
Einmal ums Eck und nochmal rum, so lang ist die Schlange vor der Tafel in Stuttgarts Mitte inzwischen. Fotos: Joachim E. Röttgers
Das Ende der Schlange ist dort, wo sich die Schlosserstraße und die untere Weißenburgstraße kreuzen. Vom Café Zimt und Zucker aus führt sie hinunter auf die Hauptstätter Straße, macht eine Kurve, vorbei am Schulverwaltungsamt der Stadt Stuttgart und geht dann noch drei Häuser weiter, um schließlich vor dem Eingang der Stuttgarter Tafel zu enden. Insgesamt sind das 150 Meter.
Ein neues Bild sind solche Schlangen inzwischen nicht mehr. Wegen der Hygienebestimmungen dürfen zurzeit nur zehn Kunden gleichzeitig im Laden sein. Der große Rest muss draußen stehen, mit 1,5 Metern Sicherheitsabstand versteht sich. Doch selbst mit Abstand sind 150 Meter Schlange nicht wenig, und es ist gerade einmal halb neun Uhr morgens. Der Laden öffnet erst in einer halben Stunde, dennoch stehen manche der Kunden bereits seit acht Uhr hier, da Wartezeiten von ein bis zwei Stunden durchaus normal geworden sind.
Seit Beginn der Corona-Pandemie vor über einem Jahr, ist diese Situation nicht nur nichts Neues, sondern auch kein Einzelfall mehr. Vor jedem Laden der Schwäbischen Tafel, in Stuttgart und Umgebung, reihen sich inzwischen die Menschen.
"Die Armut in Stuttgart wird sichtbar", betitelte die Stuttgarter Zeitung eine solche Szene. "Es stimmt schon, man sieht uns jetzt – aber nur die Hälfte.", meint Eva. Die braunhaarige Mittvierzigerin ist Künstlerin, hat Kinder und kann von ihrer Arbeit alleine nicht leben. Seit einigen Jahren kauft sie deshalb bereits bei der Tafel ein.
Was sie mit "nur die Hälfte" meint, bezieht sich auf eine der Hygienemaßnahmen. Um den Andrang pro Tag zu reduzieren, wurden die Kunden, alphabetisch geordnet, in zwei Gruppen geteilt und können nur noch jeden zweiten Tag einkaufen. Wer also in Stuttgart an einer Tafel vorbeikommt und eine Schlange sieht, muss diese Menge in Gedanken noch einmal verdoppeln um zu erahnen, wie viele Menschen dort vor Corona täglich eingekauft haben.
Unglücklich das Land, das keine Tafel hat
"Natürlich bin ich froh, hier einkaufen zu können." Das sagen alle. Egal ob in der Innenstadt oder einem der anderen sechs Tafelläden in Stuttgart. Egal ob ein älterer Herr oder eine junge Familie, mit oder ohne Migrationshintergrund. Und auch egal, was sie bemängeln, sei es das unbeständige Angebot oder wie jetzt die langen Wartezeiten. Froh darüber, dass es die Tafeln gibt, sind alle.
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D. Hartmann
am 26.04.2021Was spricht dagegen, einer Person, der nach X Jahren in sozialversicherungs- und steuerpflichtiger Beschäftigung in Deutschland die Stelle gekündigt wurde, auch nach 13 Monaten noch eine Unterstützung zum…