Es waren wenige Sätze, mit denen der neue Gesundheitsminister Jens Spahn die gefühlt hundertste Hartz-IV- Debatte der letzten Jahre angestoßen hatte: "Die gesetzliche Grundsicherung wird mit großem Aufwand genau bemessen und regelmäßig angepasst. Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut." (<link https: www.wr.de politik jens-spahn-die-tafeln-erfuellen-eine-wichtige-aufgabe-id213677285.html external-link-new-window>Das Interview im Wortlaut). Der zweite Satz wurde in der letzten Woche intensiv politisch diskutiert, der erste jedoch eher selten. Für die sechs Millionen Menschen, für die sich der nicht gerade wertschätzende Ausdruck Hartz-IV-Empfänger eingebürgert hat, ist jedoch die Frage, wie die gesetzliche Grundsicherung bemessen wird, ganz entscheidend.
Rechnet man eine Million Personen, die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten, sowie etwa eine Million AsylbewerberInnen dazu, sind etwa acht Millionen Menschen und damit fast zehn Prozent der Bevölkerung davon abhängig, wie die gesetzliche Grundsicherung berechnet wird.
Die eher seltenen politischen Einlassungen zur Bemessung der Grundsicherung zeugen nicht unbedingt von vertiefter Beschäftigung mit der Materie. So ließ Neusozialminister Hubertus Heil verlauten: "Unser Land braucht keine hartherzigen Statistikdebatten, sondern sozialen Zusammenhalt." Und Angela Merkel <link http: mediathek.daserste.de farbe-bekennen farbe-bekennen-mit-bundeskanzlerin-ang external-link-new-window>sagte am Abend ihrer Wiederwahl: "Wir haben ein ziemlich gutes System, wir gucken uns immer die zwanzig Prozent derer an, die im Arbeitsleben stehen, nicht von staatlicher Grundsicherung abhängig sind, und deren Einkommensentwicklung ist der Maßstab für die Erhöhung der Grundsicherungssätze, die wir dann gemeinhin Hartz IV nennen."
Noch in der letzten Ecke werden Einsparmöglichkeiten gesucht
Würde die, wie Merkel so schön sagt, "gemeinhin Hartz IV" genannte Grundsicherung so bestimmt wie von ihr skizziert, wäre sie wesentlich höher als momentan. Und es wäre auch kein Grundsicherungsbezieher darauf angewiesen, zur Tafel zu gehen. Aber so ist es eben nicht. "Wir" – wer auch immer das ist – "gucken uns" eben nicht "die einkommensärmsten zwanzig Prozent an, die im Arbeitsleben stehen". Das Wort "einkommensärmsten" hat die Bundeskanzlerin nicht gesagt, es kann aber unterstellt werden, dass ihr Statement so gemeint war.
Die Hartz-IV-Sätze sind im – Obacht: Regelbedarfsermittlungsgesetz in Verbindung mit der – bitte tief Luft holen: Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung geregelt und heißen dort Regelbedarfe. Deren Funktion ist es, das physische und soziokulturelle Existenzminimum mit Ausnahme der Kosten für Unterkunft und Heizung zu sichern. Letztere werden gesondert übernommen, allerdings nur, soweit sie "angemessen" sind, was ein anderes nicht minder kompliziertes Thema ist.
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Fritz Meyer
am 21.03.2018