"Ohne die Gegenwart zu vergessen, wird in Meßstetten Tradition in ihrer schönsten Form bewahrt", rühmte sich bis vor einigen Jahren das dortige "Museum für Volkskunst" mit dem Namenszusatz "Sammlung Alfred Hagenlocher". Der Genannte wurde als "großer Kunstliebhaber" gewürdigt. "Der Zusatz ist künftig gestrichen", titelte 2020 der "Schwarzwälder Bote". Nach Berichten über Hagenlochers NS-Vergangenheit beschloss der Gemeinderat, den Namen nicht mehr zu nennen.
1914 geboren, trat Hagenlocher bereits mit 17 Jahren in die NSDAP und die SS ein, wo er aufgrund seiner frühen Mitgliedschaft bald Karriere machte. Als Gestapo-Beamter im Stuttgarter "Hotel Silber" war er für die Hinrichtung von neun Mitgliedern der Widerstandsgruppe Schlotterbeck verantwortlich. Nach dem Krieg wurde er im Rahmen der Entnazifizierung (Spruchkammerverfahren) zunächst als Hauptschuldiger eingestuft, wusch sich dann aber rein: durch Kunst.
Der Journalist Hermann Abmayr hat einen Film über die Begegnung von Hagenlochers Tochter Ingrid Hagenlocher-Riewe und Wilfriede Heß gedreht. Letztere ist die Tochter der ermordeten Widerstandskämpferin Getrud Lutz, die wiederum die Schwester von Friedrich Schlotterbeck war. Der Film "Sie kann ja nichts für ihren Vater" hatte jüngst im Hotel Silber Premiere. Diejenigen, die von Hagenlochers NS-Vergangenheit wissen, kennen zumeist nicht die Geschichte des "großen Kunstliebhabers" – und umgekehrt. Dazu findet am heutigen Mittwoch im Hotel Silber eine zweite Veranstaltung statt. Vorab sprach Hagenlocher-Riewe mit Kontext über ihren Vater.
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