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Untersuchungsausschuss Polizeiaffäre BW

Frei von jeder Strategie

Untersuchungsausschuss Polizeiaffäre BW: Frei von jeder Strategie
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In parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sind die Regierungsfraktionen normalerweise jederzeit sprungbereit, um Parteifreund:innen aus der Klemme zu helfen. Im Fall der baden-württembergischen Polizeiaffäre tut die CDU nur wenig, um ihre Leute zu entlasten.

Christiane Staab, die CDU-Obfrau im Untersuchungsausschuss zur baden-württembergischen Polizeiaffäre, müht sich redlich und ist doch ganz alleingelassen. Auch in der 19. Sitzung im Stuttgarter Landtag gibt es keine Mitarbeiter:innen, die ihr zuarbeiten oder auf andere Weise unterstützend tätig werden. Selbst ihre Fraktionskollegen greifen nur selten hilfreich ein – mit Staab sitzen zwei CDU-Abgeordnete von zumindest besonderem Ruf im Ausschuss: Reinhard Löffler, der Stuttgarter Rechtsanwalt, ist gerne schweigend präsent, und wenn er redet, kritisiert er meistens Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU). Hinzu kommt Christian Gehring, der Kriminalhauptkommissar a.D., der im Ausschuss bereits selber zwei Mal auf dem Zeugenstuhl Platz nehmen musste.

Die derart schwache Aufstellung der Südwest-Union ist auch deswegen bemerkenswert, weil einige ihrer Spitzenleute unter Druck stehen – allen voran Minister Strobl, in dessen Amtszeit der Polizist Andreas Renner eine steile Karriere hingelegt hat. Bei der Neubesetzung des höchsten Amtes in der Landespolizei im Jahr 2020 legen die Erkenntnisse aus dem Ausschuss nahe, dass die Wahl vor allem deswegen auf Renner fiel, weil er Strobls Wunschkandidat war. Doch nur ein Jahr später wurde Renner suspendiert, weil ein Verfahren wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung läuft.

Doch Manuel Hagel, Chef der CDU-Landtagsfraktion, ist es offenbar egal, wie der belastete Minister Strobl in dem Gremium abschneidet. Selbstverständlich hätte Hagel junge und bissige Jurist:innen mit dem Wunsch, sich mit der Arbeit zu profilieren, in das Gremium entsenden können. Stattdessen werden sogar Steilvorlagen versemmelt, um den großen Polizeiskandal etwas kleiner erscheinen zu lassen – vor allem, wenn es um tatsächliche oder angebliche Zustände in der Polizei des Landes geht. Andreas Stenger zum Beispiel, der Präsident des Landeskriminalamts (LKA), konnte in seiner Vernehmung am vergangenen Montag die Rahmenbedingungen von Beförderungen erhellen oder wie und warum, gerade bei Besetzungen hoher und höchster Funktionen, sich geradezu zwangsläufig immer wieder ein ähnlicher Personenkreis trifft.

Stenger ist ein Beamter vom alten Schlag, gerade heraus und unaufgeregt. Er kann Heikles so abhandeln, dass das vermeintlich Skandalöse in einem anderen Licht erscheint. Natürlich gebe es Personalentwicklungspläne, es gebe aber immer wieder Überraschungen, wenn von solchen Plänen abgewichen wird. Der frühere Mannheimer Polizeipräsident berichtet vom eigenen Aufstieg und davon, wie das unerwartete Freiwerden einer Stelle in Freiburg neue Möglichkeiten eröffnet habe. Gerade zum Thema Stellenbesetzung, dem zentralen Gegenstand dieses Untersuchungsausschusses, hätte er wohl noch viel Erhellendes mitzuteilen gehabt angesichts seiner jahrzehntelangen Erfahrungen. Er wird von der CDU aber gar nicht wirklich im Detail danach gefragt.

Kaum kritische Fragen aus der Union

Auch Reinhold Gall (SPD) ist für Staab und ihr Team offenbar nicht besonders interessant. Dabei hatten die Schwarzen darauf gedrängt, dass der Innenminister der Jahre 2011 bis 2016 ebenfalls gehört wird, nachdem sein Nachfolger Strobl spitz angemerkt hatte, dass Renner seinen Aufstieg ja schon unter Gall beginnen konnte. Der Vorgänger räumt dieses Gerücht nicht nur aus, sondern nutzt den Auftritt für Seitenhiebe seinerseits. Er habe sich, sagt Gall entspannt lächelnd auf dem Zeugenstuhl, in Besetzungs- und Beförderungsfragen immer ein eigenes Bild gemacht, vor allem aber dem Rat der Fachleute vertraut: "Denn wenn da Fehler gemacht werden, kommt es in der Regel dazu, dass der Minister den Hut nehmen muss."

Natürlich hätten sich aus Sicht der CDU eine Reihe kritischer Fragen an Gall angeboten, etwa weil im Zuge der von ihm verantworteten Polizeireform in jedem Präsidium neue Präsidenten geschaffen wurden. Oder: Staab hätte den Ex-Innenminister mit seiner Niederlage 2014 vor Gericht konfrontieren können, als – damals einigermaßen blamabel – alle Führungsfunktionen neu ausgeschrieben werden mussten. Immerhin wäre so sichtbar geworden, dass die CDU irgendeinen Plan und irgendeine Strategie mit Galls Ladung verbindet. Noch immer stehen mehr als 30 Zeug:innen auf der Ausschuss-Liste. Viele Sitzungen dauern deutlich länger als geplant, etwa am vergangenen Montag wieder bis in den späten Abend, weil sich die Frage-Antwort-Unterhaltungen hinziehen und so manches Detail einfach ausführlicher erzählt gehört.

Zum Beispiel, wenn Stenger von Frau Renner berichtet, die selber im LKA beschäftigt ist. Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihren Mann sei sie telefonisch bei ihm, Stenger, vorstellig geworden und habe ein Treffen erbeten. Stenger war ohnehin in Sorge nach Bekanntwerden der Vorwürfe, nennt dafür das Vorhandensein der Dienstwaffen des Ehepaars als einen Grund. Er willigt ein, weil er der Beamtin "das Betreten der Dienststelle als schambelasteten Vorgang" ersparen wollte. Am Treffpunkt in Bad Cannstatt erscheint aber gar nicht Frau, sondern Herr Renner. Der gemeinsame Kaffee war schnell getrunken.

Bald muss ein schillernder Strippenzieher aussagen

Nach den beiden stundenlangen Vernehmungen von Strobl gleich am Beginn der Ausschussarbeit kommt es am nächsten Sitzungstag Mitte November zur womöglich bisher wichtigsten Nagelprobe für die CDU. Denn dann ist Siegfried Lorek (CDU) als Zeuge geladen. Der Polizeioberrat a.D., heute Staatssekretär im Justizministerium, wurde vielfach beschrieben als schillernder Strippenzieher. Für den Fall, dass CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann nach der Landtagswahl 2021 Ministerpräsidentin geworden wäre, hatte er sich einiges ausgerechnet gehabt. Immer wieder war Lorek im Innenministerium aufgetaucht, bei informellen Runden von Spitzenbeamten oder sogar im LKA. Er gilt als bestens vernetzt, auch mit Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz, war ziemlich omnipräsent, als es darum ging, für Renners Karriere zu werben.

Es dürfte einer jener Ausschusstage im Stil früherer Zeiten werden, wenn also höchste Wachsamkeit gefragt ist zur Entlastung eines Regierungsmitglieds. Die Grünen werden sich wieder zurückhalten, hinter verschlossenen Türen eher auf der Seite der Opposition stehen, wenn um die Zulässigkeit unangenehmer Fragen gestritten wird. Und Staab wird sich wieder mühen und ziemlich alleine sein. Die Juristin und frühere Bürgermeisterin könnte sich mal mit dem heutigen Landtagsvizepräsidenten Wolfgang Reinhart unterhalten. Der war CDU-Obmann im berühmten Flow-Tex-Untersuchungsausschuss, der sich zwischen März 2002 und Oktober 2005 um einen legendär gewordenen Milliardenbetrug mit Bohrmaschinen drehte. Oft sah es damals nicht wirklich gut aus für die CDU bei der Aufarbeitung des damals größten Wirtschaftskrimis seit dem Zweiten Weltkrieg. Zurücktreten mussten aber zwei Regierungsmitglieder der FDP, mit Walter Döring sogar der stellvertretende Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg.


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