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Innenministerium gegen Journalisten

War doch nicht so gemeint

Innenministerium gegen Journalisten: War doch nicht so gemeint
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Baden-Württembergs Innenministerium wirft einem Journalisten öffentlich falsche Berichterstattung vor – und behauptet später, das Gesagte nicht gemeint zu haben. Noch eine schräge Episode in der Affäre um Skandal-Polizist Andreas Renner und CDU-Seilschaften in den Sicherheitsapparaten.

In bestimmten Kreisen hat Franz Feyder einen Ruf wie Donnerhall, im Guten wie im Schlechten. Der Journalist und frühere Elitesoldat gilt als Experte für Innere Sicherheit und soll beste Kontakte zu Polizei und Geheimdiensten pflegen. Zu seinen Quellen zählt sogar Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Ende 2021 berichtete Feyder in den "Stuttgarter Nachrichten" (StN) unter dem Titel "Sexskandal: Suspendierter Polizeiinspekteur lässt vor Schlammschlacht warnen". Gegen Andreas Renner, den ranghöchsten Polizisten des Landes, wurde zu diesem Zeitpunkt wegen des Verdachts sexueller Nötigung ermittelt und der Spitzenbeamte suchte ein "persönliches Gespräch" mit Minister Strobl, wie die StN berichteten. Grundlage für den Artikel war ein Anwaltsschreiben, das Feyder vorlag.

Dass diese Informationen an die Öffentlichkeit durchdrangen, sorgte für einige Aufregung, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Wer könnte das Schreiben durchgestochen haben? Etwa ein halbes Jahr später fliegt auf: Es war Innenminister Strobl selbst, der den Brief an die Zeitung weitergab oder weitergeben ließ. Und zwar um "maximale Transparenz" zu schaffen, wie er sagte, nachdem er die Behörden mehrere Monate ins Leere ermitteln ließ. Strobl einigte sich schließlich mit der Staatsanwaltschaft darauf, eine Geldauflage in Höhe von 15.000 Euro zu zahlen und im Gegenzug das Ermittlungsverfahren gegen ihn einzustellen.

Auch gegen Feyder wurde nach seiner Berichterstattung zwischenzeitlich ermittelt, was dieser als massive Einschränkung der Pressefreiheit bewertete. Doch seine Enthüllungen haben mit dazu beigetragen, dass ein Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag aktuell den Zustand der Landespolizei auf den Prüfstand stellt.

Auskunftsfreudig im Zeugenstand

Feyder selbst war hier im vergangenen November als Zeuge geladen und dabei ein Sesam-öffne-dich für die Opposition. Er gab bereitwillig Auskunft und Dinge preis, nach denen die Abgeordneten gar nicht hätten fragen können, weil sie in deren Akten als geheim eingestuft sind. Feyder zitierte aus "meinen Dokumenten", berichtete von seinen Recherche-Ergebnissen und dass die "zumindest für einen kritischen Journalisten" immer neue Fragen aufgeworfen hätten – vor allem zur Bestellung von Andreas Renner zum Inspekteur der Polizei (IdP).

Feyder sprach aber auch von sich aus Komplexe an, die noch der Aufklärung harren, etwa, ob Renners Kontakte zur damaligen CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann dessen rasanten Aufstieg ins höchste Amt der Landespolizei befördert haben. Oder zum Einfluss des heutigen CDU-Staatssekretärs im Justizministerium Siegfried Lorek. Mit insgesamt 47 Artikeln über die Machtnetzwerke bei der Polizei und mutmaßliche sexuelle Verfehlungen des obersten Polizeibeamten im Land habe Feyder "maßgeblich zur Aufklärung und zur Einrichtung des Untersuchungsausschusses beigetragen", werden "Stuttgarter Nachrichten" und "Stuttgarter Zeitung" nach der stundenlangen Vernehmung berichten.

Inzwischen sind weitere Berichte hinzugekommen. Ende Juli widmete sich der Journalist dem langjährigen Spitzenbeamten Jörg Krauss (Grüne), Leiter der neuen "Stabsstelle moderne Führungs- und Wertekultur". Der habe sich "im Dezember 2021 offenbar als Fürsprecher" Renners verwendet. Das gehe aus einer Kurznachricht hervor, die der IdP "seinem Vertrauten und Unterstützer", dem früheren Offenburger Polizeipräsidenten Reinhard Renter, schickte. Und weiter: "Nach dieser will Renner vom damaligen Landeskriminaldirektor Klaus Ziwey erfahren haben, dass sich Krauss bei Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz dafür einsetzte, die erhobenen Vorwürfe auf dem Verhandlungsweg zu lösen."

Der Vorwurf: fettgedruckt und unterstrichen

Der Text stand am 24. Juli nachmittags online, andere Blätter zogen nach. Der Innenminister brauchte mehr als 48 Stunden, um selbst zu reagieren – auf ziemlich bemerkenswerte Weise. Sein Haus versandte eine Pressemitteilung, in deren letztem Absatz es heißt: "Die Berichterstattung der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten zitiert aus einem Chatverlauf, der uns unbekannt ist." Zugleich allerdings wird sie als "falsch" (fettgedruckt und unterstrichen) zurückgewiesen. Es werde in dem Artikel "nichts Anderes behauptet, als dass Herr Krauss sich gegenüber Landespolizeipräsidentin Hinz für Herrn Renner in dem Sinne und mit dem Ziel eingesetzt habe, Einfluss auf ein laufendes Disziplinar- und Ermittlungsverfahren zu nehmen". Das sei "schlichtweg falsch und entbehrt jedweder Grundlage, denn derartiges hat es auch im Ansatz nie gegeben" (wieder fettgedruckt und unterstrichen).

Chats nicht zu kennen, ihren Inhalt aber amtlich als völlig falsch zu verdammen, löste vielerorten Kopfschütteln aus. Außerdem hätten alle Beteiligten wissen müssen, wie gut Feyder nicht immer, aber meistens informiert ist. Die Geschichte nahm ihren Lauf. StZ und StN ließen die schwerwiegende Behauptung, falsch berichtet zu haben, nicht auf sich sitzen. Hinter den Kulissen wurde gerungen. Eine zentrale Forderung des Innenministeriums, bestimmte Passagen aus den online zum Abruf bereitgehaltenen Beiträgen gänzlich zu entfernen, blieb unerfüllt.

Besonders empört reagierten Verlag und Redaktion auf die Überschrift der ersten Pressemitteilung: "Nach wiederholt falscher Berichterstattung von Franz Feyder in den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung sehen wir uns gezwungen, diese öffentlich richtigzustellen". Weil es aber gar nichts richtigzustellen gab, sah sich das Innenministerium zu einer zweiten Richtigstellung "in eigener Sache" gezwungen – und zu mittelschweren Schwindeleien. "Das Ministerium hat nicht beabsichtigt, den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung eine unwahre Berichterstattung (…) vorzuwerfen", hieß es erkennbar wahrheitswidrig, nachdem genau dieser Vorwurf in der ersten Pressemitteilung noch fett unterstrichen war. Und erneut musste das Ministerium einräumen, den Inhalt der Kurznachricht gar nicht zu kennen.

Nun bläst die Opposition zur Attacke. Die FDP unterstellt dem Innenminister, er habe Feyder einschüchtern wollen. Strobl müsse sich öffentlich entschuldigen: bei den "Stuttgarter Nachrichten", der "Stuttgarter Zeitung" und Feyder selbst. Und Julia Goll, FDP-Obfrau im Untersuchungsausschuss, beklagt einmal mehr "fehlende Fehlerkultur" im Innenministerium.

Ihr SPD-Kollege Sascha Binder moniert, dass "der Minister wiederholt die Fakten verdrehen lässt". Versucht worden sei, "ihm unliebsame Berichterstattung zu verhindern und Vertreter der Presse einzuschüchtern", was jedoch "gründlich misslungen" sei. Schon allein deshalb, weil Feyder keiner ist, der sich einschüchtern lässt. Und weil er, ausweislich seiner Berichterstattung in der Vergangenheit, Quellen besonders erfolgreich anzuzapfen weiß. Bestes Beispiel ist ausgerechnet der Innenminister selbst mit seiner Brief-Aktion.


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3 Kommentare verfügbar

  • Frieder Kohler
    am 09.08.2023
    Antworten
    Ja, die Maultaschen-Connection (Martin Born / Benno Bertsch 1992) lebt weiter, auch wenn der IM Strobl nicht auf die Hausmacht eines Lothar Cleverle zurückgreifen kann. Doch die ehemalige Ruder-Gang vermehrte sich wie Löwenzahn-Samen: Braun, bis Schwarzbraun mit einem Schirmchen versehen, das ihnen…
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