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Der "Hilfspolizist"

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Ein "Glücksfall" für die "Stuttgarter Nachrichten" sei der Reporter Franz Feyder. So sprach einst der Chefredakteur des Blattes. Das war einmal. Danach beschäftigte sich der Presserat mit Feyder, Kontext ebenfalls und jetzt das TV-Magazin "Zapp". Es hält ihm vor, "Hilfspolizist" für die Staatsanwaltschaft gespielt zu haben.

Es ist ein gefährliches Gelände, auf dem sich Franz Feyder bewegt. Salafisten, Islamisten, Dschihadisten, Terroristen. Deshalb sagt er auch von sich, er sei ein Kriegsreporter. Zuletzt unterwegs in Syrien, wo sich alle versammeln. Seine Artikel tragen Überschriften wie "Die Sklavin und der Feuerwehrmann", "Auf der A 8 zum Dschihad" oder "Drei Brüder für den heiligen Krieg". Veröffentlicht in den "Stuttgarter Nachrichten" (StN), wo solcher Hardstuff nicht unbedingt erwartet wird, wo er aber von seinem Chefredakteur Christoph Reisinger als "Glücksfall" und Experte für Tiefenrecherche betrachtet wird.

Kontext hatte das schon einmal bezweifelt und wurde von Feyder verklagt (nachzulesen ganz rechts). Beim Presserat landete eine Beschwerde gegen "einen der stärksten Rechercheure des Landes" (Reisinger), wegen Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht. Für das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg aber blieb der StN-Reporter ein Glücksfall.

Auf dem Tisch hatten die Ermittler den Fall Sven Lau. Der ehemalige Feuerwehrmann aus Mönchengladbach war zum Islam konvertiert, mehrfach in Syrien, posierte dort als Blutspender und Salafisten-Propagandist, wurde verdächtigt, Jung-Dschihadisten angeworben zu haben, am 24. Februar 2014 festgenommen, in Mannheim in U-Haft gesteckt und von der Staatsanwaltschaft Stuttgart angeklagt, eine "schwere staatsgefährdende Gewalttat" angestiftet zu haben. Und das wollte belegt sein.

Gewiss haben die LKA-Beamten in der Cannstatter Taubenheimstraße auch die "Stuttgarter Nachrichten" gelesen und festgestellt, dass Fachmann Feyder helfen konnte. Zumal in seinen Berichten jener Sven Lau immer wieder auftauchte. Und so wurde der frühere Bundeswehroffizier zum ersten Zeugen in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Das wiederum hat irgendjemand dem Hamburger Medienmagazin "Zapp" (Norddeutscher Rundfunk) gesteckt, das daran die Frage knüpfte, wie weit Journalisten gehen dürfen. Vierte Gewalt oder Hilfspolizisten? Verlängerter Arm des Staates oder Kontrolleure der Macht? <link http: www.ndr.de fernsehen sendungen zapp _blank>(Hier geht es zum "Zapp"-Beitrag.)

Den Unterlagen zufolge ist Feyder sehr weit gegangen. Stundenlang habe er erzählt, "wichtige Vorgänge" selbst beobachtet zu haben, im gleichen Krankenhaus in Aleppo gewesen zu sein wie Lau und dort erkannt zu haben, dass es unter Kontrolle der berüchtigten Terrorgruppe ISIL stehe. 21 Seiten umfasse das Protokoll, berichtet "Zapp" und fügt an, Feyder seien nach Gesprächsabschluss noch nächtens "Ergänzungen" eingefallen, die er nachgereicht habe.

Das wird dem Landeskriminalamt gutgetan haben, nachdem es mit einer Journalistin im gleichen Fall ausgesprochen schlechte Erfahrungen gemacht hat. Marie Delhaes, die für den Norddeutschen Rundfunk arbeitet, will wissen, was junge Menschen aus Deutschland dem radikalen Islam zuführt. Sie recherchiert in der Szene, führt Interviews und Hintergrundgespräche, plant eine Dokumentation über den 33-jährigen Sven Lau. Mindestens eines ihrer Telefonate wird vom LKA Baden-Württemberg, ausweislich eines Protokolls, abgehört.

Delhaes soll als Zeugin aussagen. Sie wird gefragt, ob sie bereit sei, bestimmte Informationen mit dem Amt zu teilen. Sie lehnt ab und muss sich juristisch gegen eine schriftliche Vorladung wehren. Sogar ein Ordnungsgeld von 1000 Euro wird ihr angedroht. Von ihr kommt keine Hilfe, stattdessen der Vorwurf, auf eine Art und Weise behandelt worden zu sein, "wie man sich das als Journalistin in Deutschland nicht gefallen lassen muss". Noch immer haben Pressemenschen ein Zeugnisverweigerungsrecht, noch immer haben sie ihre Informanten zu schützen, noch immer ist es nicht ihre Aufgabe, Beschuldigte zu belasten.

Der angesehene Medienrechtler Götz von Olenhusen aus Freiburg sagt dazu: "Es war ein lang und schwer erkämpftes Recht der Medien und ihrer Verbände, nicht als Büttel der Staatsanwaltschaft oder Justiz, auch nicht als Generalanzeiger fungieren zu müssen. Aber das ist Geschmackssache, besser gesagt: Sache des Geschmacks."

Bei den "Stuttgarter Nachrichten" lösen die Rezeptoren andere Reize aus. Auf Anfrage von "Zapp" ließ Chefredakteur Reisinger wissen, die Zeugenaussage eines Journalisten sei eine "gesetzliche staatsbürgerliche Pflicht", der Auftritt Feyders freilich dessen "eigene Entscheidung".

Genützt hat die Zeugenaussage letztlich wenig. Sven Lau ist im Mai aus der U-Haft entlassen worden, die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat ihre Anklage zurückgezogen. Die Belege seien "zu dünn", räumte ihre Sprecherin ein, um einen Terrorverdacht nachzuweisen.


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17 Kommentare verfügbar

  • Rainer Nübel
    am 23.06.2014
    Antworten
    Nach Lektüre des eifrigen Journalisten-Bashings (als Nacherzählung eines TV-Beitrages) seien zwei thematische Anregungen gestattet. Das Stuttgarter Pressehaus, lange Jahre mediale Heimat des Autors und weiterer „Kontext“-Redakteure, muss ja nicht unbedingt immer nur die primäre Zielscheibe sein. Es…
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