Wie daraus eine Klage der "Stuttgarter Nachrichten" gegen Kontext und den Autor Bienzle wurde, bleibt offen. Fakt ist, dass diese am 30. Oktober 2013 einging. Darin wurden von der Bonner Anwaltskanzlei erneut die beiden Artikel beanstandet, diesmal allerdings andere, die StN betreffende Aussagen. Wiederum wurden bei hohem Streitwert Unterlassungserklärungen und Richtigstellungen gefordert. Zu vermuten war jetzt, dass aus dem Alleingang Feyders eine Offensive des Verlags werden sollte, mit der Deutschlands drittgrößter Medienkonzern dem als Konkurrenten empfundenen Medium Kontext vors Schienbein treten wollte. Oder gar mehr.
Denn diese Klage muss in der Führungsspitze der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), zu der neben den StN auch die "Stuttgarter Zeitung" (StZ), der "Schwarzwälder Bote" (Schwabo) und die "Süddeutsche Zeitung" gehören, besprochen worden sein. Erheben lassen hat sie Martin Jaschke in seiner Funktion als Geschäftsführer der StN. Der frühere WAZ-Manager ist seit November 2012 fürs operative Zeitungsgeschäft am SWMH-Sitz in Möhringen zuständig. Als gesichert darf auch gelten, dass Richard Rebmann, der Vorsitzende der SWMH-Geschäftsführung, mit eingebunden war.
Möglicherweise haben Jaschke und Rebmann, beide Dr. jur., das Vorgehen gegen Kontext gründlich besprochen, gründlich gelesen haben dürften sie nicht. Die Schriftsätze der (offenbar schlecht gebrieften) Bonner Promi-Kanzlei waren auch von juristischen Laien als fehlerhaft erkennbar. Als "skurril" oder "absurd" bezeichneten mehrere neutrale Juristen, denen Kontext Einblick in die Akten gewährte, den Vorgang. Und Insider wunderten sich, dass die nicht nur in Rechtsstreitigkeiten als Pfennigfuchser bekannten SWMH-Chefs wegen einer solchen Lappalie "so viel Geld sinnlos den Kamin hinaufjagen".
Dass die StN neben Kontext auch ihr langjähriges Redaktionsmitglied Bruno Bienzle vor Gericht zerren wollte, ist besonders bemerkenswert. Bienzle war ein Vierteljahrhundert lang Lokalchef und hat als ehrenamtlicher Vorsitzender der StN-"Aktion Weihnachten" Millionenbeträge für Bedürftige gesammelt und verteilt. Er sah sich jetzt mit einem Ordnungsgeld in Höhe einer Viertelmillion Euro, ersatzweise Beugehaft, bedroht. Bienzle ist seit einem Fahrradunfall im Herbst 2009 vom vierten Halswirbel abwärts vollständig gelähmt; er schreibt seine Artikel für Kontext mit dem Mund und wäre auch durch Beugehaft nicht mehr zu beugen. Daneben argumentierten die StN-Anwälte, der Schaden durch Bienzles Berichterstattung sei am Image der "Stuttgarter Nachrichten" entstanden.
Bienzle und Kontext konnten dem Gericht zu allen in der StN-Klage angegriffenen Behauptungen Beweise beibringen. Mehr noch: Die inkriminierte Behauptung vom Juni 2013, die StN würden in der damals jüngsten Sparrunde insgesamt sieben Stellen in der Redaktion abbauen und sich aus der Berichterstattung über die Region Stuttgart nahezu endgültig zurückziehen, wurde gleich mehrfach bestätigt.
Zum einen dadurch, dass Kontext in einer Klageerwiderung sieben Redaktionsmitglieder namentlich benennen konnte, die im Lauf des Jahres 2013 abgefunden wurden und ausgeschieden sind. Bis zuletzt wurde das StN-seits bestritten, unter anderem mit Zeugnis des Chefredakteurs Reisinger, der zu den Gerichtsakten gab, er habe einen der von Kontext genannten Namen nie gehört. Kann schon sein: Die Dame hatte geheiratet, aber weiterhin unter ihrem alten Namen in den StN veröffentlicht.
12 Kommentare verfügbar
EvL
am 10.02.2014Herzlichen Gruß
Eisenhart v.Loeper