Bevor LKA-Präsident Michelfelder im Ausschuss sein vernichtendes Zeugnis über die Qualität von Renners Arbeit ablegen konnte, wurden diverse Gerüchte über ihn an ausgewählte Vertreter der Presse mitgeteilt. Das diente offenbar dem Zweck, seine Glaubwürdigkeit als Zeuge zu untergraben, spekulierte Michelfelder. Er gehe davon aus, dass dies aus der CDU-Landtagsfraktion geschehen sei und nannte auch einen Namen als mögliche Quelle: Christian Gehring, selbst Polizist und Mitglied der Union in jenem Gremium, das gegenwärtig fragwürdige Personalangelegenheiten überprüft.
Die Rechtslage scheint eigentlich eindeutig: Wer "an den zu untersuchenden Sachverhalten persönlich und unmittelbar beteiligt ist, darf dem Untersuchungsausschuss nicht angehören", heißt es im Gesetz. Die CDU reagierte darauf eigenwillig: Einen Tag, nachdem die Vorwürfe gegen Gerhing bekannt geworden waren, wählte sie ihn zum Vorsitzenden des Arbeitskreises Inneres in der Landtagsfraktion, der sich unter anderem mit dem Thema Polizei befasst, und will ihn im Ausschuss halten.
Ganz schön viel harter Tobak, der in dieser Angelegenheit zusammenkommt. Dabei hatte Innenminister Strobl den Untersuchungsausschuss noch im Februar dieses Jahres verhöhnt: "Wissen Sie, was ein Soufflé ist? Da ist viel Luft drin – und nach einer gewissen Zeit macht's Pffft", so Strobl über die parlamentarische Aufarbeitung. Das klang damals selbstbewusst, heute ist der Minister mehr als angeschlagen.
Rätselhaft bleibt Strobls Verhalten in der sogenannten Briefaffäre. Im Dezember 2021 berichteten die "Stuttgarter Nachrichten" über ein drei Seiten langes Schreiben, das Renners Anwalt an den Innenminister geschickt habe. Darin betonte der Jurist, sein Mandant stehe für ein persönliches Gespräch mit Strobl bereit, "was vorliegend der Sache eher dienlich sein dürfte und im allgemeinen Interesse zielführender zu sein versprechen vermag, als eine unvermittelte Rechtswegbeschreitung". Im Klartext: Man muss ja nicht alles gleich vor Gericht klären – zu diesem Zeitraum liefen bereits die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlicher sexueller Nötigung.
Für Strobl ist das Eis dünn
Dass diese Informationen an die Öffentlichkeit durchdrangen, sorgte für weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, diesmal wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Wer könnte den Brief durchgestochen haben? Dann fliegt auf: Innenminister Strobl selbst hatte das Schreiben weitergegeben, und zwar um "maximale Transparenz" zu schaffen, wie er sagt, nachdem er ein halbes Jahr lang zugesehen hatte, wie die Behörden ins Leere ermittelten. Strobl einigte sich schließlich mit der Staatsanwaltschaft, 15.000 Euro als Geldauflage zu zahlen, damit das Ermittlungsverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses eingestellt wird.
Doch abgeschlossen ist der Fall damit noch nicht für den Innenminister. Strobl selbst wurde im Untersuchungsausschuss bereits in einer 15 Stunden langen Sitzung als Zeuge befragt und wird wohl ein weiteres Mal antanzen müssen. Denn kürzlich wurden dort Mitarbeitende seiner Pressestelle angehört, deren Angaben sich nicht durchgängig mit den Behauptungen ihres Vorgesetzten deckten.
Nach den bisher bekannt gewordenen Informationen über die Postenvergabe bei der Polizei, politische Seilschaften und der Blamage durch Andreas Renner als IdP sind immer wieder Rücktrittsforderungen aus der Opposition gegen Strobl laut geworden. "Die Maßstäbe sind einfach verrutscht", klagte Sascha Binder, Vize in der SPD-Landtagsfraktion und Obmann im Ausschuss, schon im vergangenen März. Baden-Württemberg habe einen Innenminister, der sich "praktisch alles leisten kann". Nach den Kriterien früherer Jahre hätte er "längst zurücktreten oder der Ministerpräsident hätte ihn entlassen müssen". In der Zwischenzeit sprach sogar Oliver Hildenbrand, Abgeordneter der mitregierenden Grünen und Innenexperte, von einem "strukturellen Machtmissbrauch" im Innenministerium.
Ähnlich klare Worte fehlen bislang von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der hält die schützende Hand über seinen Stellvertreter Strobl und will die Arbeit des Ausschusses abwarten, um eines Tages den Gesamtkomplex zu bewerten. Bis dahin wird Kontext für alle Interessierten die Zwischenergebnisse vorstellen.
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Fremdschämer
am 11.10.2023