Angeklagt war Andreas Renner, 50, suspendierter Inspekteur der Polizei, wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung einer 16 Jahre jüngeren Polizistin. Er hatte sich an einem Freitagnachmittag, am 12. November 2021 mit ihr zu einem Beratungsgespräch getroffen, denn sie wollte sich für den höheren Polizeidienst bewerben. Es gab Sekt, Kolleg:innen tranken mit, auch die Polizeipräsidentin Stefanie Hinz schaute auf ein Glas vorbei. Alkoholrunden am Freitagnachmittag waren offenbar ein gängiges Ritual. Später ging es weiter in eine Kneipe, bis Renner und die Polizistin schließlich alleine im Corner in Bad Cannstatt landeten, eine Stammkneipe des IdP. Dort wurde weiter getrunken, die beiden tauschten Zärtlichkeiten aus, wie eine Überwachungskamera in der Kneipe zeigt. Er war dabei recht aktiv, sie nicht wirklich passiv. Dann ging's für vier Minuten vor die Tür. Sie sagt, dort habe er ihr sein halberigiertes Glied in die Hand gedrückt und uriniert. Er sagt, sie habe es von sich aus angefasst. Abgesehen von der Frage, warum dieser Polizist nicht aufs Kneipenklo geht, sondern wildpinkelt (kostet in Stuttgart übrigens 55 Euro Strafe, wenn man erwischt wird), steht an diesem Punkt Aussage gegen Aussage. Und letzten Endes, so der Richter, gilt unter Einbeziehung weiterer Erkenntnisse dann "im Zweifel für den Angeklagten".
Renner wurde am vergangenen Freitag vor dem Landgericht Stuttgart also nicht freigesprochen, weil seine Unschuld bewiesen werden konnte. Sondern aus Mangel an Beweisen. Der Richter Volker Peterke glaubt vor allem den Aussagen der Polizistin nicht. Es habe Widersprüche gegeben zwischen ihrer Aussage bei der Polizei und der vor Gericht, sagt Peterke. Auf dem Video in der Kneipe meint er zu erkennen, dass sie willig mitgemacht habe. Dass Renner ihr Vorgesetzter war, dass dieser eine entscheidende Rolle in ihrem Beförderungsverfahren spielte – für den Richter ergibt sich daraus kein Abhängigkeitsverhältnis. Im Gegenteil. Im Corner spielte "die Vorgesetztenfunktion für sie aus unserer Sicht keine Rolle", sagt Peterke. "Sie war frei, fühlte sich geschmeichelt."
Die tonlosen Videoaufnahmen lassen nicht eindeutig erkennen, wie die Frau zu den Annäherungen und dem Betatschen durch Renner stand. Ob sie mehr oder weniger widerwillig mitmacht, ob sie mit Freude mitmacht – unklar. Wie betrunken sie war, ist auch nicht bekannt. Nachvollziehbar sind diverse Gläser Sekt, zwei Achtel Rotwein und zwei Cola-Rum intus. Zwischen 0,1 und 0,9 Promille könnte ihr Blutalkohol gewesen sein, erklärte der Richter. Aber sehr betrunken sei sie bestimmt nicht gewesen, denn als Polizistin werde sie es kaum darauf angelegt haben, ihre Steuerungsfähigkeit zu verlieren, meint er.
Einseitige Spekulationen zulasten der Frau
Und Peterke glaubt noch mehr zu wissen. Nämlich, wie sich die Tage nach der Corner-Nacht entwickelt haben. Die Nebenklägerin hatte nach der Nacht ihren Ex angeappt, und der reagierte "sehr eifersüchtig", so Richter Peterke. Da habe die junge Frau gehofft, die Beziehung mit dem verheirateten Mann (und Vorgesetzten) wiederbeleben zu können. Also habe die Frau ihm einiges erzählt: erst von einem Zungenkuss, den sie angeblich nicht gewollt habe. Laut Richter, um den Ex zu "beschwichtigen". "Das war die Geburtsstunde der sexuellen Nötigung in diesem Verfahren", sagt Peterke. Sie erzählte auch vom Vorfall vor der Kneipe und ihr Ex habe dann – ganz richtig – als Polizist die mögliche strafbare Handlung erkannt und auf eine Anzeige gedrängt. So informierte sie die Polizeipräsidentin und die Geschichte nahm ihren Lauf, die die Polizistin dann nicht mehr in der Hand gehabt habe. Sagt der Richter. Warum die Frau ausgerechnet eine Nötigung erfinden sollte, wenn ihr als Polizistin doch klar sein musste, dass sie so diese eklige Geschichte vor Gericht in der Öffentlichkeit ausbreiten muss, das erklärt der Richter nicht. Da könnten frau auch weniger mühsame Wege einfallen, um einen Ex zurückzugewinnen.
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Walter Steiger
am 26.07.2023