Das Einfachste wäre nun, die bestehenden Panoramabahn-Gleise, die durch das Projekt Stuttgart 21 wegfallen sollen, bis zum Hauptbahnhof weiter zu betreiben. Was nicht zwangsläufig verhindern würde, das Gleisvorfeld zu bebauen – nur eben über den Schienen. Dagegen sträubt sich jedoch die Stadt Stuttgart, die der Bahn 2001 die Flächen des Gleisvorfelds für 459 Millionen Euro abgekauft hat. Reichel geht deshalb von einer anderen Lösung aus: dass die Panoramabahn nicht dauerhaft am Nordhalt enden wird, sondern nach Nordwesten und Osten in Richtung Feuerbach und Bad Cannstatt verlängert wird (siehe Grafik). "Der Abschnitt Nordhalt – Feuerbach könnte schon bis 2032 befahrbar sein", meint Reichel auf Nachfrage von Kontext. "Das Nordkreuz nach Bad Cannstatt sehe ich dann zwischen 2035 und 2040 als realistisch."
Der Filder-Ringschluss: ein "totes Pferd"
Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Auch wenn grundsätzlich mehr möglich wäre: Die Genehmigungszeiträume für neue Strecken sind lang, die Kosten hoch, und die Beschlusslage steht im Fall des Filder-Ringschlusses dagegen. Wie Reichel sich ausdrückt: "Sich jetzt auf das tote Pferd zu setzen, macht keinen Sinn." Die Studie setzt da an, wo Netzerweiterungen politisch durchsetzbar erscheinen. Was nicht heißt, dass sie schon beschlossen wären. Hier vorzuarbeiten, Überzeugungsarbeit zu leisten, ist das große Verdienst der Grünen-Initiative.
Was die Studie klarstellt: An der Schusterbahn und der Panoramabahn könnten neue Haltestellen eingerichtet werden, die zum Teil schon vorhanden, aber zu kurz sind. Beide Strecken tragen auch jetzt schon zunehmend dazu bei, das System resilienter zu machen. Weniger vornehm ausgedrückt: dass es überhaupt noch funktioniert. Im Fall der Panoramabahn ist im Moment allerdings auch diese Option verbaut: Der schlechte Zustand der Gleise verhindert den S-Bahn-Betrieb und damit die Nutzung als Ausweichstrecke.
Alles hängt mit allem zusammen
Die Tangentiallinien sind aber nicht alles, was die Studie zu bieten hat. Der Verkehrsvertrag mit dem nächsten Betreiber, wenn der aktuelle mit der DB Regio 2032 nach mehr als zwanzig Jahren ausläuft, muss alles enthalten, was notwendig erscheint, damit das Land sein Ziel erreichen kann, bis 2040 klimaneutral zu sein. Alles steht auf dem Prüfstand: die Fahrzeuge, die Wartung, die Barrierefreiheit, Linienverlängerungen und neue Haltestellen, die Art der Vergabe, die Ausstattung der Züge und vieles mehr.
Da dies hier nicht in aller Breite ausgeführt werden kann: ein paar Beispiele, die zeigen, wie eines mit dem anderen zusammenhängt. Derzeit verkehren auf allen S-Bahn-Linien zumeist Langzüge aus drei vierteiligen 70-Meter-Einheiten. Jede Einheit hat zwei Triebköpfe, das bedeutet, ein Langzug hat sechs Triebköpfe, von denen vier in dieser Kombination nicht gebraucht werden. Triebköpfe sind teuer und nehmen Platz weg, der auch den Fahrgästen zur Verfügung stehen könnte. Andere Konstellationen sind denkbar: zwei 100-Meter-Züge etwa, eine Kombination von 140 und 70 Meter oder auch ein einteiliger, knapp 210 Meter langer Zug, der zehn Prozent mehr Platz böte.
Das hat Auswirkungen. Nicht nur auf die Erste-Klasse-Abteile – die München neuerdings durch Sitzecken ersetzt hat –, sondern vor allem auch auf die Wartung. Die derzeitige Werkstatt der DB Regio in Plochingen ist nur für 70-Meter-Züge ausgelegt. "Diesem Thema ist eine hohe Priorität zuzuordnen", heißt es in der Studie. Die Werkstatt muss erweitert werden oder an anderem Ort muss eine größere gebaut werden – nur wo? Und was passiert, wenn ein anderer Bewerber die Ausschreibung gewinnt?
Wem sollen die ab 2032 angeschafften Züge gehören?
Was so nicht in der Studie festgehalten ist, führt VWI-Direktor Ullrich Martin bei der Vorstellung aus: Wenn derzeit eine S-Bahn wegen defekter Bremsen in die Werkstatt kommt, sich dann aber herausstellt, dass auch eine Tür klemmt, bleibt es bei der Reparatur der Bremsen. Ein System, das sich noch optimieren ließe.
2 Kommentare verfügbar
Martin Höhnke
am 20.07.2023Und um das vorhandene Personal zu…