Morgens halb zehn in Böblingen. Ich stehe am Bahnsteig, die S1 aber nicht. Ausgefallen. Wie der Zug zuvor und der danach und ich möchte wetten, der darauf auch. Blöd. Die VVS-App hatte zuvor schon alle Linien orange gemarkert, die Farbe der Verspätung. Zwischenzeitlich ist an irgendeiner Schiene, Weiche, im Stellwerk, an der Oberleitung, am Zug oder am Lokführer wieder irgendwas kaputtgegangen, was verhindert, dass ich ins Geschäft komme. Pünktlichkeit ist schon kein Anspruch mehr.
2017 habe ich für Kontext eine "Ode an die S-Bahn" geschrieben. Denn ich fahre im Grunde gerne S-Bahn. Ich mag die freie Zeit am Morgen und Abend, die fremden Leute um einen rum, das ein oder andere Schwätzchen. Die Anschaffung meiner Monatsfahrkarte war mal die beste Mobilitätsentscheidung meines Lebens.
Auf dem Twitter-Kanal der S-Bahn Stuttgart kommentierte kürzlich einer: "Wenn mir die VVS meine ausgefallen Arbeitszeiten wegen verspäteten/ausgefallen Zügen bezahlen müsste, wäre die pleite." Und ich wäre reich und könnte mir einen eigenen Parkplatz in Stuttgart mieten. Ich stehe seit Neuem auch total gerne im Stau und denke an all die gesparte Zeit. Stunden, Tage, nahezu ein ganzes zweites Leben wäre da drin, wenn ich nicht mehr Bahn fahren würde.
Zwei Stunden Heimweg
Kürzlich wollte ich die S-Bahn um viertel vor sieben nach Hause nehmen, "wenn sie denn fährt, haha", mach' ich in der Redaktion noch Witze. Kurz darauf, Haltestelle Stadtmitte. Schon oben an der Treppe weht mir ein Hauch von Ungemach entgegen, unten stehen eine Menge Leute am Bahnsteig und ein toter Zug auf dem Gleis. Die Anzeigentafeln – aus. Alle warten, scrollen in der VVS-App, die – so raten es die Nahverkehsbetreiber derzeit nachdrücklich – doch bitte ob der Unregelmäßigkeiten des ÖPNV regelmäßig konsultiert werden soll. Steht nichts drin. Dann kommt Polizei: Der S-Bahnverkehr in Stuttgart sei zum Erliegen gekommen, man möge bitte U-Bahn fahren. Also zur U-Bahn, mit der nach Vaihingen, in der Hoffnung, dass irgendeine S-Bahn es doch durch Stuttgart schafft und mich nach Böblingen bringt. Neben mir steht ein Mann, der "jeden Tag die gleiche Scheiße" bruddelt. Vaihingen also, halbe Strecke geschafft. Die S-Bahn: kommt nicht. Die Anzeigentafel behauptet, es dauere noch 20 Minuten, dann 14, dann wieder 16. Wäre zwischen mir und daheim nicht eine Menge Wald und sehr viel Dunkelheit gewesen, ich wäre gelaufen. Normalerweise brauche ich etwa eine Stunde von Tür zu Tür. An diesem Tag sind es zwei. Zwischenzeitlich stellte sich heraus, dass an der Haltestelle Feuersee eine Dehnfuge brennt, was zum Kollaps führte. Immerhin was Neues.
1 Kommentar verfügbar
Philipp Horn
am 12.01.2023Und ob das so toll ist, mit dem Auto nach Stuttgart fahren zu wollen, sei mal dahingestellt.