Business as usual, selbst wenn es schmerzt. Am vergangenen Sonntag besucht Baden-Württembergs angeschlagener Innenminister Thomas Strobl (CDU) Braunsbach, die 2500-Einwohner-Gemeinde im Wahlkreis Schwäbisch Hall, deren Ortskern nach heftigen Regenfällen durch eine Sturzflutkatastrophe zerstört wurde. An seiner Seite, zwecks Begutachtung des Wiederaufbaus, die Stuttgarter Regierungspräsidentin Susanne Bay. Die 57-jährige Grüne hat Strobl eine seiner schmerzlichsten Niederlagen zugefügt, als sie bei der Landtagswahl 2021 im gemeinsamen Wahlkreis Heilbronn mit einem Vorsprung von sieben Prozentpunkten das Direktmandat holte und so den Einzug des stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden ins baden-württembergische Landesparlament verhinderte.
Die Übung, sich nichts anmerken zu lassen, hat der gebürtige Heilbronner schon seit vielen Jahren perfektioniert. Wenn sich der Mentor Günther Oettinger öffentlich über ihn mokierte als "Andenpakt-Azubi", weil der auch irgendwie dazugehören wollte zum sagenumwobenen Verein von Schwarzen, die alle mal was werden wollten. Oder wenn Wolfgang Schäuble auf Parteitagen entweder seiner Missbilligung oder seinem Sarkasmus freien Lauf ließ. Nach einem mittelprächtigen Wiederwahlergebnis des Schwiegersohns unterbrach er sich sogar in seiner Rede, um ihn zu beglückwünschen: "Damit es nicht wieder heißt, ich hätte dir nicht gratuliert." Wenn der angeheiratete Onkel und Vorgänger im Innenministerium Thomas Schäuble fehlenden politischen Tiefgang bemängelte. Oder wenn es seine erfolgreiche Ehefrau Christine, der jetzt nach dem CDU-Wahlsieg in NRW Chancen auf die WDR-Intendanz nachgesagt werden, nicht der Mühe wert findet, in Stuttgart zu erscheinen, wenn der Gatte zum zweiten Mal vereidigt wird als Winfried Kretschmanns Vize. Höher steigt er in diesem Leben nicht mehr.
Die schlimmste Niederlage seines Lebens
Öffentlich verliert er die Nerven jedenfalls nur gegenüber Untergebenen oder in ganz speziellen Sonderfällen. Als im Frühjahr 2016 die CDU-Fraktion ihm den Tort antat, Kretschmann einen Tag vor der dessen Wahl in einer internen Probeabstimmung durchfallen zu lassen, rauschte er bleich wie die Wand aus Stuttgart ab, drauf und dran, das ganze komplementärkoalitionäre grün-schwarze Projekt zum Platzen zu bringen, wenn ihn die Fraktion derart hängen ließe. Nur mühsam konnten ihn Parteifreunde, die ihm nach Heilbronn nachreisten, umstimmen.
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Dietmar Rauter
am 01.06.2022