Die Oppositionsabgeordneten im Untersuchungsausschuss ärgern sich zunehmend. Ihre Arbeit zur Aufklärung der Beförderungspraxis bei Baden-Württembergs Polizei sowie zu Innenminister Thomas Strobls (CDU) Brief-Affäre werde "speziell vom Innenministerium verzögert und in die Länge gezogen", sagt FDP-Obfrau Julia Goll. Schon mehrfach seien Antworten auf Beweisanträge und Anfragen nicht ausreichend gewesen: "Da musste wochenlang nachgebohrt werden." Vor allem seien Aktenteile pauschal als geheimhaltungsbedürftig eingestuft worden, "obwohl diese aus unserer Sicht keine geheimhaltungsbedürftigen, sondern nur für Strobl und Co. unangenehme Inhalte haben", kritisiert Goll. Ob aus Unwillen oder Unfähigkeit – die Landesregierung verschleppe den Untersuchungsausschuss, sagt die frühere Staatsanwältin und kündet an, "alle notwendigen Schritte zu gehen, im Einzelfall juristische". SPD-Obmann Sascha Binder pocht ebenfalls auf mehr Kooperationsbereitschaft und kann sich vorstellen, vor Gericht zu ziehen. "Wir werden uns das jetzt sehr genau anschauen", so der Fraktionsvize, der selbst Rechtsanwalt ist. Denn nach mehr als 20 Sitzungen stehe der Ausschuss noch immer vor "sehr vielen offenen Fragen, die geklärt werden müssen".
Typisch für die Herangehensweise im Innenministerium ist die Vorgehensweise beim inzwischen berühmt-berüchtigten Anwaltsschreiben im Disziplinarverfahren gegen Andreas Renner, dem damals schon vom Dienst suspendierten Inspekteur der Polizei (IdP). Als Strobl das Schreiben an den Journalisten Franz Feyder von den "Stuttgarter Nachrichten" weitergab, wollte er nach eigener Aussage für "maximale Transparenz" sorgen. Tatsächlich aber wurden die drei Seiten, sobald es eng zu werden drohte für den damaligen CDU-Landesvorsitzenden, als Verschlusssache eingestuft. Öffentlich bekannt sind deshalb nur einige dürre Zitate. Die Öffentlichkeit hat also keine Möglichkeit, sich ein Bild vom Gehalt der Zeilen zu machen. Oder davon, ob die Einschätzung des Stuttgarter CDU-Landtagsabgeordneten Reinhard Löffler zutrifft, wonach das Schreiben des Anwalts ans Ministerium nichts anderes darstellt als ganz selbstverständliches anwaltliches Vorgehen.
Immer mehr ungeklärte Einzelheiten
Jüngster Aufreger sind Akten zum internen Umgang bei der Polizei und damit auch zum Verdacht sexueller Übergriffe. Dort sind sogar Dienstgrade geschwärzt worden. Dabei ist wichtig zu wissen, ob zum Beispiel Vorgesetzte untereinander und Beamt:innen auf einer Ebene oder Chefs mit Untergebenen zu tun gehabt haben. Dies beeinträchtigt auch die Arbeit der sogenannten Ermittlungsbeauftragten Bärbel Hönes. Der Ausschuss hatte im vergangenen Herbst die frühere Sinsheimer Amtsrichterin berufen, konkret um vor allem drei Fragen nachzugehen: wie die Landesregierung mit dem Thema und den Vorwürfen der sexuellen Belästigung in Landesbehörden bisher umgegangen ist; welche Informationen den Behörden und weiteren Stellen zu Vorwürfen der sexuellen Belästigung oder von sexuellen Annäherungsversuchen durch den früheren IdP und anderen Beschäftigen von Landesbehörden vorliegen; und wer davon welche Kenntnis hatte.
Die neue Ermittlungsbeauftragte steht am Anfang. Ihre Arbeitsplatzbeschreibung sieht vor, dass sie "einen Teil der für den Untersuchungsauftrag relevanten Verdachtsfälle sexueller Belästigung im Bereich der Landesregierung und der Landesbehörden Baden-Württemberg" untersucht und zudem "Akten sichtet, sich aber auch an betroffene Behörden oder Beamt:innen direkt wendet". Nach heutigem Stand könnte sie sich bis zum Sommer den erwünschten "fundierten Überblick" verschafft haben, sofern nicht noch neue Fragestellungen auftauchen.
Denn es gehört zu den Besonderheiten des Gremiums "Inspekteur der Polizei & Beförderungspraxis", dass ungeklärte Einzelheiten bisher jedenfalls immer mehr statt weniger werden. Auch Jörg Krauss hat das Seine zu dieser Zwischenbilanz beigetragen. Seit einem halben Jahr leitet der frühere Amtschef im Finanzministerium die direkt bei Strobl selbst angesiedelte Stabsstelle im Innenministerium "Moderne Werte- und Führungskultur". Für die Öffentlichkeit jedenfalls wirkte er bisher eher im Verborgenen.
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