Meinungen sind wie Arschlöcher. Jeder Mensch hat eins. Dass einige Menschen der Ansicht sind, Feminismus heutzutage wäre überflüssig, ist also menschlich. Meistens rührt diese Ansicht von individueller Lebensrealität, in der eigentlich alles palletti erscheint. Machtgefälle zwischen den Geschlechtern werden als nicht oder nicht mehr existent wahrgenommen. Als die "Welt"-Autorin Ronja von Rönne 2015 den Beitrag "Warum mich der Feminismus anekelt" veröffentlichte und damit (ungewollt) zum deutschen Gallionsfigürchen eines erneut grassierenden Antifeminismus wurde, offenbarte sie damit auch eine der Funktionsweisen menschlicher Meinungsbildung: Der Schluss von individueller Erfahrung auf allgemeingültige Wahrheiten.
Dass es von Rönne als deutsche, hippe, weiße Abiturientin aus Oberbayern "noch nie erlebt [hat], dass Frausein ein Nachteil ist", ist wunderbar. Doch nur, weil etwas in einer individuellen Bubble nicht stattfindet, heißt das nicht, dass es das Problem nicht gibt. Ähnlich wie bei Faschismus und vielen anderen Ismen, die der Menschheit wie Kaugummi an der Schuhsole kleben, ist es die Aufgabe kommender Generation, sie auch nach ihrer gefühlten Überwindung in Schach zu halten. Nur weil der Führerbunker 1945 in die Luft geflogen ist, heißt das nicht, dass sich Rassismus oder Antisemitismus für immer in Luft aufgelöst haben.
Dass von Rönne als aufstrebende, erfolgreiche Anfangzwanzigerin, Frausein nie als Nachteil empfunden hat, ist schlichtweg der Tatsache geschuldet, dass sich andere Menschen hierfür den Allerwertesten aufgerissen und eine Normalität erkämpft haben, in der Frausein keine Ganzkörperbehinderung mehr ist. Das kollektive Gedächtnis vergisst das gerne. Einmal erkämpfte gesellschaftliche Fortschritte sind keine Computerspielstände, hinter die ein Avatar nie mehr zurückfällt. Jederzeit kann es frei nach Shirley Bassey heißen: "It's all just a little bit of History repeating."
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Ulrike Ramming
am 28.02.2018