Seit mittlerweile rund sechs Jahren rollen täglich Geisterzüge ohne Passagiere durch Berliner S-Bahn-Tunnel, und das nicht etwa zur Lokführerausbildung. Sie rollen, um die Tunnel der acht Kilometer langen neugebauten Bahnstrecke zum Großflughafen BER zu durchlüften, um zu vermeiden, dass sie feucht werden und sich Schimmel bildet. Die Strecke war schon zum ursprünglich angepeilten Eröffnungstermin am 30. Oktober 2011 fertig, wann der BER so weit sein wird, steht noch in den Sternen. Die Geisterzüge werden noch ein paar Jährchen weiter ins Nirgendwo und zurück fahren, laut Medienberichten kostet das Monat für Monat circa zwei Millionen Euro.
Dieses Schicksal hatte auch der Neubaustrecke (NBS) Wendlingen-Ulm gedroht, auf der sich noch deutlich längere Tunnel befinden. Denn schon länger zeichnet sich ab, dass die NBS mindestens drei Jahre früher als Stuttgart 21 fertig werden soll, nach aktuellem Stand 2022. Geisterzüge scheinen hier aber nun abgewendet: Nach der Aufsichtsratssitzung am 26. Januar <link http: www.deutschebahn.com de presse pressestart_zentrales_uebersicht p08_ar_stuttgart21.html external-link-new-window>ließ Bahn-Sprecher Martin Walden wissen: "Für eine mögliche vorgezogene Inbetriebnahme der Neubaustrecke hat die DB erste grobe fahrplantechnische Überlegungen angestellt, die positiv verlaufen sind".
Man erinnere sich: In der heißen Phase des Protests gegen Stuttgart 21 behauptete die Bahn immer wieder, beide Projekte würden nur in Kombination funktionieren. Das war schon damals Unsinn. Ursprünglich, bis Anfang 1994, war die Neubaustrecke von der Bahn ohnehin zur Anbindung an den Kopfbahnhof geplant. Aber auch in der jetzigen Planung gibt es bei Wendlingen, wo die NBS endet und dereinst in den zum Projekt Stuttgart 21 gehörenden Streckenteil münden soll, eine Gleisverbindung auch zur durchs Neckartal laufenden Bestandsstrecke über Plochingen nach Stuttgart: die so genannte "Güterbahnspange" (über die wegen der starken Steigungen auf der Neubaustrecke wohl nie ein Güterzug fahren wird).
Genau diese Streckenführung sei ursprünglich für die NBS auch angedacht gewesen und "eine gute Lösung", wie sogar Eckart Fricke, ehemals Konzernbevollmächtigter der Bahn AG für den Schienenverkehr in Baden-Württemberg, 2011 <link https: www.youtube.com external-link-new-window>auf einer Podiumsdiskussion bekannte. Es sei aber der Wunsch des Landes und des damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) gewesen, die NBS nicht durchs Neckartal, sondern an der A8 entlang über die Fildern nach Stuttgart zu führen.
Vier Minuten
Eine Anbindung der NBS an den bestehenden Stuttgarter Kopfbahnhof hatten schon im vergangenen Jahr der Ulmer Oberbürgermeister und der Bürgermeister des erst 2016 mit einem Regionalzughalt bescherten Merklingen gefordert. "Angesichts der hohen Baukosten ist es überhaupt nicht zu vertreten, die NBS nicht vorzeitig in Betrieb zu nehmen", sagt auch Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Die Bahn hielt sich lange bedeckt, auch noch, als NBS-Projektleiter Stefan Kielbassa im Dezember 2017 bei einer öffentlichen Veranstaltung betonte, die NBS werde unabhängig vom Stand bei S 21 "termingerecht in Betrieb genommen". Zumindest das verfolgte Ziel, den neuen Streckenabschnitt auch ohne fertigen Tiefbahnhof nutzen zu wollen, ist durch die Bahn-Ankündigung vom 26. Januar nun offiziell.
Wie schnell wäre man dann von Stuttgart nach Ulm oder umgekehrt unterwegs – auch im Vergleich zur geplanten Anbindung an den Tiefbahnhof? Momentan braucht ein ICE von Stuttgart nach Ulm 54 Minuten. Mit NBS und S 21 versprach die Bahn einst 28 Minuten, mittlerweile liest man auf der Projekthomepage von einer halben Stunde. Für immer noch zu knapp kalkuliert halten dies mehrere Lokführer, die von den Autoren des Konzepts "<link https: www.umstieg-21.de external-link-new-window>Umstieg 21" befragt wurden. Sie gehen von 32 Minuten Direktfahrt aus und 36 Minuten im Falle eines zusätzlichen Halts am Flughafen auf den Fildern.
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Normaler Bürger
am 08.02.2018