Ich habe mich gefreut, dass die Baden-Württemberg-Stiftung das Thema auslobt. Aber bei der Lektüre gab es, ich sag es mal neutral, einen inneren Impuls, das Frauenthema noch stärker zu politisieren. Denn sonst schreibt man sich mal für einen Sommer die Frauen auf die Fahnen und danach macht man wieder weiter wie bisher. Das will die Stiftung sicher nicht, aber mir ist jede Form dieses "Muttertagsdenkens" suspekt: Heute feiern wir mal, aber an der Grundstruktur ändert sich bitte nichts.
Sie wollen nicht mitfeiern?
Ich habe mich gefragt, warum brauchen wir einen Literatursommer, in dem wir Frauen feiern? Liegt darunter womöglich eine Form unserer Geschlechterordnung, die nach wie vor auf einem Machtgefälle aus Ungerechtigkeiten und Nichtgleichstellungen auf vielen Ebenen basiert? So kam die Idee auf, im Literaturhaus eine fünfteilige Reihe auf die Beine zu stellen, die nicht Frauen zum Thema macht, sondern Feminismus. Eine Reihe, die es mir auch ermöglicht, die verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen aus literarischer Perspektive zu befragen, in denen es meiner Meinung nach Gesprächsbedarf gibt: Arbeit, den Körper, Familie und Elternschaft und die romantische Liebe.
Derzeit können wir einen Backlash in Sachen Feminismus beobachten: Angriffe gegen die Genderstudies an den Universitäten, gegen Aktivistinnen wie Laurie Penny. Hat Sie das befeuert?
Im Kopf habe ich den Gedanken schon länger, im Literaturhaus das Thema Feminismus aufzurufen. Befeuert hat mich die Diskussion um Sexismus an Hochschulen, und natürlich die #MeToo-Debatte, inklusive der entsprechenden Positionierungen in Kultur, Politik und Medien. Und dann kam diese Literatursommer-Ausschreibung, für die ich sehr dankbar war. Ich habe mir gesagt: So, das ist der Moment. Wir denken allgemeiner über Geschlechterkonzepte nach, wir konzipieren eine Reihe.
In Baden-Württemberg gibt es mit der "Demo für Alle"-Debatte noch einen weiteren Impuls direkt vor der Haustür, um über Antifeminismus nachzudenken. Schön reaktionär wird hier über gleichgeschlechtliche Liebe hergezogen.
Ich habe mir das Symposium der "Demo für Alle" sogar angetan. Es war ja gleich um die Ecke in der Liederhalle. Ich wollte wissen, welche Sprache da gesprochen wird, und war total irritiert über den aggressiven und unwissenschaftlichen Ton auf dieser Tagung. Die zwei, drei Vorträge, die ich gehört habe, haben mich verstört zurückgelassen. Wir hatten kurz nach dem Symposion einen Abend mit Barbara Vinken und einer israelischen Soziologin zum Thema "Regretting Motherhood". Guerillamäßig habe ich auf diesem Symposium noch Flyer für unsere Veranstaltung im Literaturhaus verteilt.
Das hätten Sie besser bei der Gegendemonstration gemacht.
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