Deutschland ist schon ein verrücktes Land. Wie sonst lässt es sich beschreiben, dass Menschen bis aufs Blut gegen einen Tiefbahnhof ausrücken – aber kaum Gefühle entwickeln, wenn Tausende Frauen täglich körperlich und seelisch malträtiert werden. Auch in der Dauerprotest-Hochburg Stuttgart juckt die meisten kaum, dass hier jeden Tag mehr als 1400 Frauen ihre Körper verkaufen müssen. Die Plakatkampagne "Stoppt Zwangs- und Armutsprostitution", die im April 2016 kurzzeitig für rote Köpfe sorgte, änderte nichts an der Tatsache, dass unzählige Männer in Stuttgart täglich kein Problem darin sehen, Frauen für 30 Euro ohne Kondom nach Belieben zu penetrieren. Wie kann es sein, dass das Thema Prostitution und das Elend, das mit ihm verbunden ist, nicht auf mehr Wutbürgertum stößt?
Diese Frage stellte sich auch die Ludwigsburger Bildhauerin und Performancekünstlerin Justyna Koeke – und zündet kommenden Freitag im Schauspiel Nord die Eskalations-Stufe gegen ein kollektives Bewusstsein, das Prostitution als Gesellschaftsphänomen akzeptiert. Mit ihrer Performance "Galateas" knüpft die 40-Jährige da an, wo sie am Frauentag vergangenen Jahres mit <link https: www.kontextwochenzeitung.de schaubuehne maria-mit-dem-ohr-im-schritt-3472.html external-link-new-window>"Prinzessinnen und Heilige" in der Stadtbibliothek Stuttgart aufgehört hat. Damals schickte die Feministin 15 Seniorenheim-Bewohnerinnen in märchenhaften Kinderkostümen über einen Catwalk, um eine Brücke zwischen Mädchenträumen, Schönheitswahn und dem Dasein im Lebensalter zu schlagen. Für "Galateas" schickt sie jetzt etwa 15 Studierende der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart als lebende Skulpturen auf die Bretter, musikalisch begleitet von Live-Operngesang und einer singenden Säge.
Ziel: 10 400 Euro sammeln
Die Kunstaktion ist der Startschuss für eine großangelegte Spenden-Kampagne verschiedener Stuttgarter Kulturschaffender und sozialer Einrichtungen, wie dem Stuttgarter Caritasverband, dem Café "La Strada", der Erotik-Boutique "Frau Blum" und dem Verein "Sisters". So unterschiedlich diese Welten sind, so einig sind sie sich über ihr gemeinsames Ziel: sich für den Ausstieg von Frauen aus der Prostitution einzusetzen und dafür 10 400 Euro zu sammeln. Mit dem Betrag soll mindestens vier Frauen der Ausstieg ermöglicht werden. Auf der <link https: www.bw-crowd.de external-link-new-window>Crowdfunding-Seite können ab kommenden Freitag symbolisch Hilfsaktionen ausgewählt werden, die Koeke in Zusammenarbeit mit Charlotte Brunner vom Frauen-Café "La Strada" im Leonhardsviertel erarbeitet hat. "2 Tage Ausruhendürfen" können etwa schon mit 30 Euro gefördert werden, mit 430 Euro schenkt man einer Aussteigerin "1 Monat zur Neuorientierung".
4 Kommentare verfügbar
Andromeda Müller
am 15.05.2017Wenn sie durch ökonomische Verhältnisse und/oder Konsumdenken sich dazu genötigt sehen ist das neo"liberale" , eher neofeudale , Wirtschaftssystem und seine Kreationisten in Wirtschaft und…