Nein, es ist kein Tippfehler: Um 136 Prozent soll die Miete steigen. Von 488,30 Euro im Monat auf 1155,24 Euro, so steht es in einem Schreiben der Schwäbischen BauWerk GmbH, das Tanja Klauke im vergangenen November in ihrem Briefkasten fand. "Ich war völlig entsetzt", sagt sie. Denn 14 Jahre lang konnte die Krankenschwester im Stuttgarter Westen vergleichsweise günstig leben. "Ich traue mich kaum, das zu erzählen", betont die 44-Jährige. Aber als sie eingezogen ist, habe sie für ihre 66 Quadratmeter nur 360 Euro gezahlt. "Das ist ja heutzutage, gerade in Stuttgart, fast schon undenkbar günstig."
Ihre alte Vermieterin kannte Klauke persönlich. "Sie musste das Haus, ihr Elternhaus, schweren Herzens verkaufen", erzählt sie. Das war im Frühsommer vergangenen Jahres. Sie habe es dann doch mit einem guten Gefühl getan, weil sich die BauWerk sozial gegeben habe. So lässt es sich auch auf ihrer Website lesen. Es sehe sich "traditionellen Werten" verpflichtet, schreibt das Stuttgarter Familienunternehmen, und zählt auf: Fairness, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauen und Respekt. Das habe ihre frühere Vermieterin geglaubt, berichtet Klauke. In Wirklichkeit aber würden Menschen durch Modernisierungen in die Obdachlosigkeit getrieben, und könnten dann die Schwäbische Tafel oder die Vesperkirche besuchen. Dort tritt die BauWerk als Sponsor auf.
Sie selbst habe nie jemanden von der Immobilienfirma, die "ehrliche Gespräche auf Augenhöhe" verspricht, zu Gesicht bekommen. Nur eine schriftliche "Aufforderung zur Duldung baulicher Maßnahmen mit Mieterhöhungsankündigung". Datiert auf den 13. November 2018. Darin aufgelistet sind verschiedene Investitionen, die den Wert des Gebäudes steigern sollen. Die Kostenschätzung für die geplante Modernisierung: etwa 775 000 bis 835 000 Euro.
Zu den geplanten Maßnahmen zählen auch Punkte wie: "Im Treppenhaus werden die Wände neu verputzt und gestrichen." Nach Einschätzung von Rolf Gaßmann, dem Vorsitzenden des Stuttgarter Mietervereins, handle es sich dabei aber gar nicht um eine Modernisierung, sondern um eine klassische Sanierung, die nicht auf die Miete umgelegt werden dürfe. "Leider wird bei Modernisierungen viel getrickst", sagt er, viele Maßnahmen würden aufgelistet und in Rechnung gestellt, die die erforderlicheren Kriterien gar nicht erfüllten. Die BauWerk ist ihm einschlägig bekannt. Eine Modernisierung zielt darauf ab, eine Immobilie nicht nur Instand zu halten, sondern ihren Wert zu erhöhen, etwa durch eine energie-effiziente Dämmung, Schallschutz oder einen neuen Fahrstuhl.
Ein neuer Balkon, und das gratis!
Das Gesetz ermöglicht es EigentümerInnen, sich diese wertsteigernden Maßnahmen von ihren MieterInnen abbezahlen zu lassen, die kein Mitspracherecht haben, ob sie irgendetwas davon wollen. Stand 2018 durften elf Prozent der Gesamtkosten für eine Modernisierung auf die Jahresmiete umgelegt werden. Wer von dieser Möglichkeit Gebrauch machte, hat sich seine Investition also nach nicht einmal einem Jahrzehnt vollumfänglich vom Mieter finanzieren lassen – was Immobilienkonzerne wie die Vonovia nutzten, um die <link https: www.kontextwochenzeitung.de wirtschaft ausgepresst-5126.html external-link-new-window>Bewohner ihrer Häuser gnadenlos auszupressen. Ein neuer Balkon oder ein frisch gedämmter Dachboden sind für Eigentümer nicht nur kostenlos zu haben, sondern skandalöserweise auch noch gewinnbringend. Erst werden die Investitionskosten zu 100 Prozent durch die MieterInnen beglichen, dann zahlen diese weiterhin höhere Miete.
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