Ein bisschen ironisch sei das Ganze ja schon, sagt Jens Volle. Nicht nur, weil am 3. Mai, drei Tage nach seiner früh von der Polizei beendeten Arbeit beim AfD-Bundesparteitag in Leinfelden-Echterdingen, der Internationale Tag der Pressefreiheit war. Sondern auch, weil er gemeinsam mit zwei weiteren Fotografen ursprünglich vom 1. Mai in Istanbul berichten wollte. Nachdem ab Februar aber mehr und mehr auch ausländische Journalisten Repressalien des türkischen Staates zu spüren bekamen, hatten sie davon Abstand genommen. "Wir hatten keine Lust, in der Türkei im Knast zu landen", sagt Volle und lacht etwas gequält. "Jetzt sind wir halt hier im Knast gelandet."
Bis zu zwölf Stunden wurden er und insgesamt drei Kollegen, allesamt freiberufliche Fotografen, am 30. April von der Polizei in Gewahrsam genommen, obwohl sie sich mit Presseausweisen eindeutig als Journalisten ausgewiesen hatten und auch später immer wieder darauf hinwiesen. Der Vorwurf der Polizei: Nötigung und schwerer Eingriff in den Straßenverkehr. Sie seien an einer Autobahnblockade beteiligt gewesen. Stimmt nicht, sagen die Fotografen.
Bereits am 1. Mai <link http: dju.verdi.de presse pressemitteilungen external-link-new-window>protestierte die in der Gewerkschaft Verdi organisierte Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) dagegen scharf in einer Pressemitteilung. Deren Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß kündigte an, ein rechtliches Vorgehen gegen die Polizei werde geprüft. Die Prüfung ist nun abgeschlossen: Unterstützt durch einen von Verdi gestellten Anwalt wollen zwei der betroffenen Fotografen, darunter Volle, Rechtsmittel einlegen. "Es wird eine Klage beim Verwaltungsgericht geben, dahingehend, dass diese Festsetzung absolut unverhältnismäßig war", so Siegfried Heim, baden-württembergischer Verdi-Landesfachbereichsleiter Medien, Kunst und Industrie.
"Eine sehr, sehr einmalige Geschichte"
Einen Schwanengesang auf die Pressefreiheit hierzulande will Volle indes nicht anstimmen und die Lage auch nicht mit jener in der Türkei vergleichen. "Ich glaube, dass wir schon noch Glück haben in Deutschland, was die Pressefreiheit angeht." Andererseits hat er in seinen fünf Jahren als freier Fotograf, in denen er auf vielen, auch brisanten Demonstrationen Bilder geschossen hat, noch nie einen vergleichbaren Fall erlebt, "dass Journalisten für so lange Zeit komplett aus dem Verkehr gezogen, an ihrer Arbeit gehindert werden. Das war schon ein Novum." Auch alle Kollegen, die er gefragt habe, könnten sich an keinen ähnlichen Fall erinnern.
Zwar kommt es immer wieder vor, dass Fotografen bei Demonstrationen kurzzeitig festgesetzt werden, manchmal auch für mehrere Stunden. Im August 2010 erwischte es etwa den späteren Kontext-Fotografen Chris Grodotzki und zwei Kollegen im Rahmen der Proteste gegen Stuttgart 21: Bei einer Besetzung des kurz vor dem Abriss stehenden Nordflügels des Bonatzbaus <link http: visual-rebellion.com offener-brief-an-die-stuttgarter-polizei-bezuglich-der-festnahme-von-drei-journalisten-wahrend-der-raumung-des-besetzten-stuttgarter-hauptbahnhofs external-link-new-window>wurden sie gemeinsam mit Demonstranten festgenommen, es folgte sogar <link http: visual-rebellion.com ende-gut external-link-new-window>ein Prozess. Doch auch sie wurden nach etwa dreieinhalb Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt.
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Ingstan
am 30.05.2016