Eine weitere wichtige Rolle wird in den nächsten Wochen und Monaten der Bericht der Ermittlungsgruppe Umfeld spielen, die SPD-Innenminister Reinhold Gall im März 2013 eingesetzt hatte. Neue Zeugen aus den Reihen von Polizei und Staatsanwaltschaft, Landeskriminalamt und Verfassungsschutz werden sich konfrontieren lassen müssen mit den auf 300 Seiten formulierten Erkenntnissen. Denn die EG Umfeld hatte einen ebenso klaren wie weitreichenden Auftrag: "Sie erhellt die Bezüge des NSU und dessen Umfeld zu Personen aus Baden-Württemberg; identifiziert potenziell relevante Personen und klärt ehemalige und mögliche aktuelle Strukturen der rechten Szene im Sachzusammenhang auf; bearbeitet Ersuchen und Spuren des BKA aus den Verfahren des GBA mit Bezügen nach Baden-Württemberg; prüft Verbindungen der 'European White Knights of the Ku Klux Klan' (EWK KKK) Baden-Württemberg zum NSU und klärt darüber hinaus die aktuellen Strukturen des Ku-Klux-Klans in Baden-Württemberg auf." Nicht nur die Experten der baden-württembergischen Grünen sehen diesen Auftrag als nicht wirklich erfüllt an.
Mit "mit hoher Akribie und nach bestem Wissen", schreiben dagegen die Autoren des Berichts, sei man vorgegangen. 500 bereits erfasste Spuren und 180 neue wurden kontrolliert und 260 Maßnahmen veranlasst, "darunter vor allem Befragungen und Auswertungen". In rund 60 Fällen steht das Ergebnis noch aus. Hinzu kommen Nachlässigkeiten – jedenfalls aus heutiger Sicht – gerade in Heilbronn. So ist zum Beispiel als "schweres Versäumnis" identifiziert, dass ein E-Mail-Account von Michèle Kiesewetter unausgewertet gelöscht wurde. Blutige Taschentücher vom nahen Neckarstrand sind als nicht tatrelevant eingestuft und die Listen der Kontrollstellen "zu spät" durchforstet worden.
Das Wohnmobil mit Chemnitzer Kennzeichen, das als Fluchtfahrzeug gilt, durchfuhr am Tattag im Landkreis Ludwigsburg eine dieser Kontrollstellen. "Insgesamt wurden im Rahmen der Ringalarmfahndung in Heilbronn ca. 34 000 Kfz-Kennzeichen erfasst", heißt es außerdem, "eine detaillierte Überprüfung aller Kennzeichen sowie deren Halter und Nutzer ist ohne weitere Ermittlungsansätze weder vorgesehen noch verhältnismäßig oder tatsächlich leistbar." Heute ist zudem bekannt, dass der Mietvertrag des Fahrzeugs verlängert wurde. Der lief ursprünglich nur von 16. bis 19. April 2007, dann aber bis zum 26. April, dem Tag nach der Tat. Für Insider noch ein Indiz gegen die Zufallstheorie und überhaupt gegen die bisherige Annahme der Ermittler, Böhnhardt und Mundlos seien nur nach Heilbronn gekommen, "um die eigene Macht zu demonstrieren und gleichzeitig die Ohnmacht des Staates bloßzustellen".
Noch gravierender, gerade für die Bremser in der SPD, sind die Schlussfolgerungen von Thüringer Landtagsabgeordneten der Linken und der Grünen. Im Minderheitenvotum der beiden damaligen Oppositionsfraktionen werden mehrere Aspekte der Verbindungen nach Baden-Württemberg aufgegriffen, und vor allem wird ein Untersuchungsausschuss auch im Südwesten dringend anempfohlen. Der Verweis von SPD-Abgeordneten auf die umfangreichen Bemühungen des Bundestagsuntersuchungsausschusses als Argument gegen den Rat aus dem Osten gehört ohnehin in die Mottenkiste. Denn mittlerweile ist Allgemeingut, dass der sich zu den Vorgängen in Heilbronn bestenfalls einen Überblick verschafft. Ein Detail von vielen: Die zuständige Sonderkommission Parkplatz hatte im Laufe der Zeit drei Vorsitzende. Nur einer wurde in Berlin tatsächlich als Zeuge gehört.
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tillupp
am 03.11.2014