Es ist elf, und der Bürgermeister von Gäufelden-Nebringen sieht unglücklich aus. "Hoffentlich kommt er", sagt er. Aber Clemens Binninger kommt eigentlich immer, wenn man ihn einlädt. Der Ortsvorsteher steht am Rande einer Baustelle, braune Fläche, umgegraben, da soll mal ein Marktplatz hin, wenn's fertig ist. Daneben eine Straße mit einem Band, gespannt, damit Binninger es durchschneidet. Es gibt Trollinger und Weißherbst zu Zwiebelkuchen und eine Bürgerhocketse. Es wird fünf nach elf. Der Bürgermeister sieht enttäuscht aus. "Er hat es nicht geschafft", sagt er ins Mikrofon.
Im Moment ist Clemens Binninger sehr beschäftigt. Er ist Bundestagsabgeordneter für die CDU aus dem Wahlkreis Böblingen und sitzt als Obmann seiner Partei im NSU-Untersuchungsausschuss. Ein CDUler mit Aufklärungswillen, der das Verfassungsschutzpersonal und die Großkopfeten in den letzten Monaten nicht selten vor sich hergetrieben hat und der zwischendurch und fast jedes Wochenende seinen Wahlkreis pflegt wie kaum ein anderer. Ein Dauerpendler zwischen Baden-Württemberg und Berlin, zwischen Trollinger und Nazimorden.
Binninger kommt um zwölf nach elf. Zu spät, weil der Deutschlandfunk noch ein Interview für die 12-Uhr-Sendung haben wollte. Sie haben ihn gefragt, ob hinter all den Ermittlungspannen im Zusammenhang mit dem NSU nicht mehr stecke als Schlamperei. Nein, sagte er. Aber es sei auch so schon schlimm genug.
Jetzt steht er am Nebringer Rednerpult und sagt: "Allein dass dieses Zelt so voll ist, zeugt von Gemeinschaft in diesem Ort", und verschenkt drei Minuten später mit gewinnendem Lächeln sechs Berlin-Reisen an die Frauen, die im Nebringer Backhaus den Zwiebelkuchen gebacken haben. Weil sie so fleißig waren, sagt er.
Kein Fehler, kein Makel, keine Ungereimtheiten
Er trägt eine randlose Brille, ein reinweißes Hemd mit hellbraunem Jackett, Lederslipper, an denen kein Staubkörnchen klebt, ein gewinnendes Lächeln dazu, das kaum abzureißen scheint. Kein Fehler, kein Makel, keine Skandale, keine Ungereimtheiten. Binninger, der Saubermann, immer auf Achse in seiner Mission. Nach der Einweihung des Marktplatzes wird er in der Jahreshauptversammlung des Blasmusik-Kreisverbands Böblingen sitzen, am Tag drauf beim Handball in Leonberg, montags im NSU-Ausschuss in Berlin, das Wochenende drauf demonstriert er beim Spatenlauf mit für den Ausbau der Altdorfer Kreuzung an der B 464. Clemens Binninger, der Perfekte.
Seine Frau ist Bürgermeisterin von Nufringen, einer kleinen Gemeinde zwischen Stuttgart und Tübingen. Michèle Kiesewetter hat da mal gewohnt, die mutmaßlich vom NSU ermordete Polizisten von Heilbronn, der erste Stein im Mosaik eines unglaublichen Skandals: Der "Fall mit den meisten Fragen", sagte Binninger kürzlich.
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Konrad Wanner, Heilbronn
am 09.05.2013