
Marcus Köhler, Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, dementiert jedoch auf Anfrage von Kontext, dass seine Behörde gegen eine dritte tatverdächtige Person ermittle: "Trotz der eindeutigen Beweislage haben wir selbstverständlich alle Hinweise und Ermittlungsansätze auf mögliche weitere Tatbeteiligte intensiv überprüft", so Köhler. "In keinem Fall haben sich dafür allerdings bislang tragfähige Anhaltspunkte ergeben."
Jedoch geht auch die Generalbundesanwaltschaft davon aus, dass der NSU bei seinen Taten über ein Unterstützernetzwerk verfügt haben muss. Einen Hinweis hierfür lieferte Florian Heilig, der sich im Ausstiegsprogramm "Big Rex" für Neonazis befand. Heilig berichtete dem LKA bereits 2011 von einem Treffen "der zwei radikalsten" rechten Gruppen Deutschlands in Öhringen nahe Heilbronn. Dabei soll es sich neben dem NSU um die "Neo-Schutzstaffel" (NSS) gehandelt haben. Das LKA Baden-Württemberg verwarf die Aussage jedoch wegen "widersprüchlicher Angaben".
Im September 2013 sollte Heilig seine Aussage bei den Ermittlern der EG Umfeld wiederholen. Dazu kam es allerdings nie. Wenige Stunden vor seiner erneuten Vernehmung verbrannte der junge Zeuge in seinem Auto – die Polizei spricht von "Selbstmord aus Liebeskummer". Laut Bericht der EG Umfeld gibt es an dieser Darstellung keinen Zweifel.
"Insgesamt 30 Besuche" des NSU in Ludwigsburg
Der Bericht deutet an, wie eng die Verbindungen von Neonazis aus Ostdeutschland in den Südwesten waren. Zunächst sind da die Reisen von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die sich mehrfach in Baden-Württemberg aufhielten, wenn auch teils nur alleine oder zu zweit.
Eine Auswertung von Millionen von Anmeldezetteln etlicher Campingplätze im Raum Stuttgart bestätigte Erkenntnisse des Bundes-U-Ausschusses, wonach Mundlos und Böhnhardt 2003 auf dem Stuttgarter Campingplatz Cannstatter Wasen zelteten. Sie benutzten dabei falsche Namen. Weiterhin unklar ist, ob dieser Aufenthalt etwas mit den Markierungen auf Stadtplänen von Stuttgart und Ludwigsburg zu tun hat, die im Brandschutt der Zwickauer NSU-Wohnung gefunden wurden. Auf einer CD, die die Spurensicherung ebenfalls in der Zwickauer Wohnung fand, gibt es zudem Fotos von zwei türkischen Geschäften in der Stuttgarter Nordbahnhofstraße. Auf einem der Fotos ist auch Böhnhardt zu erkennen. Laut Bericht lassen sich weitere Anschlagsplanungen des NSU in diesem Zusammenhang nicht konkretisieren.
Was also trieb der NSU in Baden-Württemberg? Ein Foto zeigt Zschäpe vor dem Ludwigsburger Schloss. Die Bauarbeiten im Hintergrund lassen vermuten, dass die Aufnahme bereits 1991 entstand. Zschäpe sei allerdings lediglich bei ihrer Tante zu Besuch gewesen, so der Bericht.
Aus Briefen zwischen Mundlos und inhaftierten Kameraden der Chemnitzer Skinheadszene konnten die Ermittler "insgesamt 30 Besuche" bei Gleichgesinnten in Ludwigsburg rekonstruieren. Zeitweise sollen die späteren NSU-Mitglieder alle vier bis fünf Wochen in Ludwigsburg zu Besuch gewesen sein. Dabei handelte es sich laut Bericht um "szenetypische Kontakte", etwa gemeinsame Konzertbesuche. Innenminister Gall präzisierte während der Pressekonferenz, er gehe nicht davon aus, dass die Szene bei ihren Treffen bloß "literweise Bier gekübelt" habe. Vielmehr seien in diesem Rahmen politische Gespräche nicht auszuschließen, so der Minister. Darüber, ob bei den Treffen auch Straftaten geplant wurden, wollte Gall nicht mutmaßen.
Nur ein gemeinsamer Besuch des Trios ließ sich "konkretisieren": An Ostern 1996 trafen sich "die Chemnitzer" und "die Jenaer" (gemeint sind Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos) demnach beim 2003 verstorbenen Michael Ellinger mit "den Ludwigsburgern". Ellinger befand sich auf Mundlos' "Garagenliste", einer Sammlung von über 30 Kontaktpersonen des NSU. Die Treffen mit den späteren NSU-Mitgliedern fanden vor allem zwischen 1993 und 1996 in Ellingers Partykeller statt.
In einem Brief schwärmte Mundlos von einem Besuch in Ludwigsburg: "Wir waren vor allem über die Waffen, die sie alle haben, erstaunt – fast schon ein kleiner Waffenladen." Der Kamerad, um dessen Waffensammlung es sich gehandelt haben soll, fand sich auf der Garagenliste. Auf Nachfrage des LKA beteuerte er jedoch, es handele sich bei den von Mundlos erwähnten Waffen lediglich um harmlose "Deko-Waffen". Das LKA beließ es bei dieser Aussage.
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Ein zentrales Problem des G 5 Hypes lässt der sehr lesenswerte Artikel unbeachtet. Für die Masse der NutzerInnen wird der neue Standard, wenn überhaupt, dann erst in vielen Jahren Realität werden. Der Ausbau der Netze bedarf eines dreistelligen...
Als Kontext-Fan bin ich jetzt auch etwas irritiert. Als Scheinargument für einen Weg am Gebäude entlang mit freier Sicht auf BalettschülerInnen wird ein Missbrauchsverfahren auf der Waldau angeführt? Das erschließt sich mir absolut nicht.
Ist es tatsächlich so, dass Dietrich Präsident und Aufsichtsrat in einer Person ist? So etwas wie FSK - also "freiwillige Selbstkontrolle" des operativen Geschäfts? Nicht, dass ich der Kontrolle durch Aufsichtsräte eine allzu große Bedeutung beimessen...
Chapeau, ihr habt der Presse- und Informationsfreiheit einen großen Dienst erwiesen. Die Stuttgarter Mainstream-Medien - StuttZ, StuttN oder SWR, haben das nicht zustande gebracht. Ein Beleg dafür, wie wichtig "Kontext" im Ländle und darüber hinaus ist.
Herr Prechtl bringt es augf den Punkt. Dieser "wichtige" Herr Dietrich hat mit unserem VfB in etwa so viel zu tun wie S21 mit einem en leistungsfähigen Bahnverkehr. Jeder Tag ohne Dietrich ist ein guter Tag für den VfB. Herr Dietrich, gehen Sie endlich....
Ist das als Bewerbung gedacht? Also - ab ins Ehrenamt.
Wäre es nicht so gefährlich und beschämend, es wäre nur noch lächerlich, wie sich diverse Antisemiten in etlichen Publikationen lange und ausführlich und öffentlich(-rechtlich) darüber beklagen, dass eine übermächtige Israellobby und finstere ...
Ist das eigentlich ein hochdotierter Posten, Präsident beim VfB? Hat dieser dubiose Ex-S 21-Sprecher denn nicht genügend Kohle anderweitig gemacht? Muß er sich mit 70 unbedingt noch präsidial aufplustern? Aber offenbar findet sich niemand aus einer...
Wir waren froh und erleichtert über dieses Urteil - Herzlichen Glückwunsch! Überrascht war ich über den Dank an den "Spiegel" - war dort die Berichterstattung doch stets hinter der Bezahlschranke und auf der Startseite nicht präsent. Aber vielleicht ist...
"Das Landgericht Mannheim sah sich außer Stande, zu beurteilen, ob die Chat-Protokolle gefälscht sein könnten." Ist das nicht auch dieses Landgericht, das so überaus emsig bei der Verfolgung des angeblichen Vergewaltigers Kachelmann vorging?
@Ge La, meinen Sie das wirklich? „Die Gewaltenteilung funktioniert zum Glück ,“ Wenn ja, wo haben Sie Ihre Schulbildung „abgesessen“?!? Bereits im Vorfeld der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde in ebensolcher Weise weiter gegen...
Weiter so, geht es schon wieder los in Deutschland, dass solche Leute vor Gericht recht bekommen und dann mit so einer Aussage des Vorsitzenden Richters Stojek, das gibt zu denken.
Das ist wirklich eine gute Nachricht!
Der gemessene und somit statistisch erfasste Stromverbrauch in der entwickelten Welt stagniert bzw. nimmt stark und kontinuierlich ab: https://moderndiplomacy.eu/2019/02/14/the-mysterious-case-of-disappearing-electricity-demand/ Teilweise ist das auf selbst...
Die Nakba-Ausstellung, die zur Zeit von der VHS Reutlingen gezeigt wird, dokumentiert klar nachvollziehbar und mit den entsprechenden Nachweisen die wissenschaftliche Diskussion, die sich spätestens seit den 1980er Jahren (international noch früher) an den...