Ein 52 Meter langer, drei Meter breiter, hochkant gestellter Bogen aus handgeschöpftem Papier windet sich um den Projektraum des Stuttgarter Kunstvereins Wagenhalle. Das Wort "handgeschöpft" ist nicht ganz korrekt: Es gibt eine Vorstellung davon, wie das Papier aussieht. Doch ein Sieb dieser Größe in den Papierbrei zu tauchen: Das ist nicht gut möglich. Clemens Schneider hat sein eigenes Verfahren erfunden, als er vor sechs Jahren für eine Zeichnung ein großes Papier brauchte, das auf dem Markt nicht zu finden war.
Hadernpapier wäre das richtige Wort dafür. Im Schimpfwort "Haderlump" – eigentlich eine Verdoppelung, denn Hadern und Lumpen sind dasselbe – ist das Wort noch präsent. So wurden verächtlich die Lumpensammler bezeichnet, die Habenichtse und Taugenichtse, schwäbisch auch "Lumpensäcke" genannt, die als "fahrendes Volk" Alt-Textilien für die Papierherstellung sammelten. In früheren Zeiten ein begehrter Rohstoff.
Das Papier im Ausstellungsraum changiert zwischen drei Farbtönen: Zwischen einem hellen und einem dunkleren Blau leuchten je nach Tageszeit, von hinten angestrahlt, helle Flecken hervor. Pulp Painting nennt sich das Verfahren, zu Deutsch auch Zellstoffmalerei: Von Hand nimmt der Künstler den verschiedenfarbigen Papierbrei, die Pulpe, aus der Bütte und verteilt sie auf das Sieb. Schneider hat Blue Jeans verarbeitet, daher kommen die Blautöne.
Ein feines Summen liegt in der Luft. Bei der Papierherstellung hat Schneider Kontaktmikrophone in den Papierbrei gelegt, die mit eingetrocknet sind und nun als Lautsprecher wirken, mit dem Papier als Membran. Das Signal kommt aus einem Apparat, der weiter vorne im Raum an der Wand hängt: der Noise Harp.
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