
Der Prolog: Am breiten Strand von Jesolo, Tausende Sonnenschirme in Reih und Glied, auf Liegen brutzelnde Badegäste. Einer nach dem anderen, einer wie der andere. Dort oben an der Adria brummt das Geschäft noch, aber der alte Glanz ist hin, der Massentourismus hat das Vergnügen vereinheitlicht und sozusagen gleichgeschaltet. Aber nun, an der Grenzstadt Ventimiglia, geht die Reise los, die Pepe Danquart ("Schwarzfahrer", "Am Limit") auf den Spuren von Pier Paolo Pasolini unternimmt. Der 1955 in Singen geborene Danquart ist, wenn schon kein Nachfahre, so doch – und ganz buchstäblich – ein Nachfahrer des großen italienischen Regisseurs, der sich 1959 ans Steuer eines Fiat Millecento setzte, den Stiefel entlang und in die Armut fuhr und seine Eindrücke von Land und Leuten in einer Reportage festhielt. "Vor mir der Süden" ist eine filmische Dokumentation und eine Hommage an Pasolini, in der Danquart seine Bilder von Landschaften, Städten und Menschen immer wieder mit dessen Texten – gelesen von Ulrich Tukur – unterfüttert und abgleicht.
Der Journalist, Autor und Regisseur Pier Paolo Pasolini, renitenter Kommunist und Katholik zugleich, lässt seine ersten und neorealistisch geprägten Filme "Accatone" (1961) oder "Mamma Roma" (1962) im gewalttätigen Subproletariat spielen, dem er eine beinahe mythische Kraft und Kultur zuschreibt. Später setzt er sich mit griechischen Tragödien ("Edipo Re", 1967 oder "Medea", 1969) auseinander, mit Legenden und Mysterienspielen ("Teorema", 1968), mit erotischen Stoffen ("Decameron", 1971) und in seinem letzten und zum Skandal gewordenen Film "Die 120 Tage von Sodom" (1975) mit dem Faschismus. Den Armen, den Arbeitern und den Ausgestoßenen gehört Pasolinis Sympathie, nicht aber den Kleinbürgern, die er inbrünstig hasst.
Ein Mann fürs Volk im Kampf gegen den Konsumismus
Pasolini habe "den Verlust von Dialekt und Klassenzugehörigkeit" beklagt, sagt Danquart, und "im gerade aufkommenden Tourismus der 60er Jahre im vorigen Jahrhundert eine große Gefahr und im immer stärker werdenden Konsumismus den Identitätsverlust der Menschen eines ganzen Landes gesehen: durch die Vereinheitlichung der Wunschproduktion." Doch wie viel von Pasolini wird Pepe Danquart entdecken, wenn er sich ebenfalls in einem Fiat Millecento, aber sechs Jahrzehnte später auf die Reise macht? Es dauert nicht lange, wir sind erst in Genua, als ihm ein Hafenarbeiter von Pasolini erzählt, von der Privatisierung und deren Folgen, zum Beispiel von der gerade eingestürzten Brücke, und davon, dass dieser Künstler, der ihm offensichtlich Held und Idol ist, seinen Kampf mit dem Leben bezahlt habe.
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