Einen Auftritt vor dem legendären TV-Millionenpublikum bei der Schlichtung hatte der Professor ebenfalls. Er sprach von Wassereintritt und Gipskeuper – "das muss man sich vorstellen wie bei einem Hefekuchen, der quillt" –, von der gewählten Baumethode "mit Gürtel und Hosenträger", von aufwändigen Erkundungen in Stuttgart, bei denen alle hundert Meter gebohrt wird. "Beim Feuerbachtunnel ist es besonders kompliziert", so Wittke damals, "denn in diesem Bereich weiß man nicht, wenn die Bohrungen hundert Meter voneinander gemacht wurden, ob man hier noch Anhydritbereiche hat." Aus den Reihen der Projektgegner sind unfreundliche Zwischenrufe protokolliert, darunter "Geisterfahrer". Hießen die Einlassungen übersetzt doch nichts anderes als: Eigentlich hätte mehr gebohrt und untersucht werden müssen, weil unklar ist, ob alle problematischen Bereiche wirklich erwischt worden sind.
Dass nicht sein durfte und bis heute nicht sein darf, was nicht sein kann, belegt die damalige Rede des Geologen Jakob Sierig. Der ist allen MontagsdemonstrantInnen bestens bekannt und einer jener Experten, der den Protest unermüdlich wieder mit belastbaren Fakten versorgt. Unaufgeregt und sachlich las er Wittke und mit ihm der Bahn die Leviten. Sierig kam zu dem Fazit, dass – gemessen an seiner Geschichte – "sich der Tunnelbau im quellenden Gipskeuper noch im Pionierstadium befindet". Auch die Stuttgart-21-Tunnel würden mit Sicherheit Prototypen sein. Und dann dieser Satz: "Ich persönlich erwarte häufig reparaturbedingte Tunnelsperrungen." 15 Kilometer Tunnel im quellfähigen Gipskeuper sind ungefähr die Größenordnung, die bisher überhaupt im quellfähigen Gipskeuper gebaut wurde. Das bringe "natürlich unkalkulierbare Mehrkosten mit sich".
Niemand zog rechtzeitig die Reißleine
Die damalige CDU-Verkehrsministerin Tanja Gönner, die Vertreter der Stadt Stuttgart und der Region, Volker Kefer für die Bahn – niemand zog die Reißleine. Selbst der Schlichter Heiner Geißler nicht. Dabei begleiten die Bedenken, die Sierig damals ausführte, das Projekt von Anfang an. Deshalb fassen die 167 Seiten Gutachten von KPMG/Basler über weite Strecken vor allem Altbekanntes zusammen. Der Druck unter den Befürwortern, im Vorstand der Bahn und im Aufsichtsrat, muss also beträchtlich sein, wenn nicht einmal solche längst bekannten Erkenntnisse öffentlicher Debatte zugänglich gemacht werden.
Auch die aktuelle Reaktion spricht Bände. "Professor Walter Wittke", heißt es in einer DB-Pressemitteilung, "schließt infolge des von ihm entwickelten Bauverfahrens auch künftig gravierende Schäden aus." Erkenntnisse, die er aus der Begutachtung des Engelbergbasistunnels gewonnen habe, seien bei Stuttgart 21 schon eingeflossen. "Wir sind absolut sicher, dass in den Stuttgart-21-Tunneln kein etwa dem Engelbergbasistunnel vergleichbarer Sanierungsbedarf eintreten wird", sagt Wittke selbst. Was ja leicht zu beweisen wäre, auch ohne die Heilige Barbara anzurufen.
Ein zweiter und von allen Projektpartnern gemeinsam benannter Tunnelbauer müsste einfach mal Wittkes Pläne und Methoden unter die Lupe nehmen. Bisher zählt die DB über all die Jahre und entgegen vieler Ratschläge ganz allein auf ihn. Denn Barbara oder einer der anderen 13, als Heilige verehrten Nothelfer, können im Fall des Falles nicht helfen. Die christliche Legende verlangt, in Demut und Wahrhaftigkeit heranzutreten mit der Bitte um Beistand. Pustekuchen. Damit kann die Bahn nicht dienen.
8 Kommentare verfügbar
Ignaz Wrobel
am 10.12.2016Wo (Nick)-Name zum Programm wird, darf in Paul Peterscher Tradition auch mal der Zeitstrahl außer acht gelassen werden.Daß reactio der actio folgt, darf eigentlich vorausgesetzt werden. Alles nur eine Frage der Zeit,wann Murphys law eintritt. Aber mit jedem Meter durch die 15 km…